Was ist ein*e Vormund*in? Welche Aufgaben übernimmt er oder sie? Welche Rechte haben Eltern, wenn ihr Kind eine*n Vormund*in hat?
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In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es mehrere Personen, die Eltern und ihre Kinder unterstützen. Zu ihnen gehören die Fachkräfte des Jugendamts (ASD), der Pflegekinderdienste (PKD) und die Erzieher*innen (bzw. Betreuer*innen) in Wohngruppen. Die verschiedenen Fachkräfte haben auch verschiedene Aufgaben; z. B. ist der ASD meistens für die Hilfeplanung zuständig, der Pflegekinderdienst oft für die Beratung und Fortbildung der Pflegeeltern.
Obwohl es häufig vorkommt, dass ein Vormund – wie der ASD und Pflegekinderdienst –Mitarbeiter des Jugendamts ist, hat er (oder sie) eine besondere Rolle. Er ist nur für ganz bestimmte Kinder und Jugendliche verantwortlich, ähnlich wie Eltern dann aber für alle Entscheidungen bei wichtigen Angelegenheiten im Leben dieser Kinder und Jugendlichen. #“Manche Kinder oder Jugendliche haben keinen Vormund, sondern eine*n Ergänzungspflegerin, die nur einen Teil der Sorge innehat. Was eine Ergänzungspflegschaft ist, wird in Frage 8 genauer erklärt.
Ein Vormund (weiblich Vormundin) wird vom Familiengericht bestellt. Das bedeutet, dass das Familiengericht eine Person, einen Verein oder das Jugendamt beauftragt, die Personen- und Vermögenssorge für ein Kind oder eine*n Jugendliche*n auszuüben. In der Alltagssprache wird meist nicht von Personen- und Vermögenssorge gesprochen, sondern nur vom „Sorgerecht“. Es geht dabei aber nicht v. a. um ein Recht, sondern um Verantwortung und Pflichten gegenüber dem Kind.
Voraussetzung für die Bestellung eines Vormunds ist, dass die Eltern die Sorge (das Sorgerecht) nicht innehaben. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Eltern nicht auffindbar oder nicht erreichbar sind. Es kann aber auch sein, dass ein Gericht entschieden hat, dass Eltern nicht mehr für ihr Kind entscheiden dürfen. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Eltern das Sorgerecht entzogen werden kann, wenn sie eine Gefährdung ihres Kindes nicht abwenden können oder wollen, z.B. indem sie Hilfen in Anspruch nehmen. Hintergrund kann bspw. eine psychische Erkrankung oder eine sehr schwierige familiäre oder persönliche Situation sein.
Sie bleiben Eltern, auch wenn Ihr Kind einen Vormund bekommt. Der offensichtlichste Unterschied ist, dass Vormundschaft endet, wenn Ihr Kind das 18. Lebensjahr erreicht, Eltern bleiben Sie ein Leben lang.
Das zeigt sich auch daran, dass Sie als Eltern Pflichten und Rechte behalten, auch wenn ein*e Vormund*in bestellt wurde. Ganz wichtig: Unabhängig von Personensorge und Vormundschaft, behalten Sie die Pflicht und das Recht, mit Ihrem Kind „Umgang“, also Kontakt zu haben (§ 1684 BGB), um die Beziehung zu ihm zu erhalten und weiter zu entwickeln. Das bedeutet nicht nur, dass Sie Ihr Kind besuchen können, sondern der Umgang kann auch Telefonate, Briefe und Austausch über soziale Medien umfassen. Der Vormund hat das Recht, über die Häufigkeit, Dauer und Gestaltung der Kontakte zu entscheiden, muss dabei jedoch das Umgangsrecht der Eltern und des Kindes berücksichtigen (wenn Sie mit seinen Entscheidungen nicht einverstanden sind siehe auch Frage 7).
Trotz einer Vormundschaft sind Sie zudem als Elternteil unterhaltspflichtig und ihr Kind wird später Ihnen gegenüber unterhaltspflichtig und auch Ihre Erbin oder Ihr Erbe sein.
Auch haben Sie als Elternteil weiterhin ein Auskunftsrecht zur Entwicklung und Situation Ihres Kindes. Das bedeutet, dass das Jugendamt Ihnen mitteilen muss, wie es Ihrem Kind geht und Sie über wichtige Ereignisse unterrichten muss. Des Weiteren entscheiden Sie als Eltern auch bei einer Vormundschaft, ob ihr Kind adoptiert werden darf (§ 1747 BGB). Der Vormund darf die von Ihnen bestimmte Religionszugehörigkeit des Kindes nicht ändern (§ 3 KerzG).
Die Vormundschaft unterscheidet sich auch dadurch von der Elternschaft, dass die Vormundschaft in den allermeisten Fällen berufsmäßig geführt wird. Natürlich baut der Vormund eine Beziehung zu dem ihm anvertrauten Kind oder Jugendlichen auf, aber sie ist nicht zu vergleichen mit Beziehungen zwischen Verwandten oder sogar der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Der Vorteil einer berufsmäßigen Vormundschaft ist, dass die Vormund*innen häufig sehr viele Erfahrungen und ein großes berufliches Umfeld haben, das auch in schwierigen Situationen helfen kann. Langfristig ist für Kinder und Jugendliche jedoch trotz Vormundschaft sehr wichtig, dass die Eltern sich für ihre Entwicklung interessieren und auch in schwierigen Zeiten die Beziehung zu ihrem Kind pflegen.
Das Familiengericht wählt den Vormund aus. In der Vergangenheit kam es viel häufiger vor, dass Eltern starben und Kinder deswegen einen Vormund brauchten. Die heute noch gültige Vorschrift sieht deshalb vor, dass bei der Auswahl des Vormunds nur der „mutmaßliche“ Wille der (verstorbenen) Eltern und z.B die Meinung der Verwandtschaft des Kindes berücksichtigt werden (§ 1779 BGB).
Heute hat sich die Situation verändert und auch die Kinder selbst werden gesetzlich besser berücksichtigt. Nach künftigem Recht soll das Familiengericht daher v. a. den Willen des Kindes und seine gesamte Situation, aber in zweiter Linie auch den Willen der Eltern beachten (§ 1779 BGB-E, s. der Hinweis oben auf die Vormundschaftsreform).
Wenn Ihr Kind oder Sie als Eltern den Wunsch haben, dass eine bestimmte Person Vormund wird, können und sollten Sie dies also dem Familiengericht, ggf. Ihrer Rechtsanwältin oder im Vorfeld auch dem Jugendamt mitteilen. Das Familiengericht kann z. B. einen Angehörigen des Kindes zum Vormund oder zur Ergänzungspflegerin bestellen, etwa die Großmutter oder den Großvater. Es ist auch möglich, dass eine nicht verwandte Person, die dem Kind nahesteht und dazu bereit ist, Vormund wird. Jede Person kann jedoch nur ausgewählt und bestellt werden, wenn das Familiengericht sie auch für geeignet hält, die Vormundschaft zu übernehmen.
Eltern, die das Sorgerecht innehaben, haben übrigens das Recht, für den Fall ihres Todes einen Vormund zu benennen oder bestimmte Personen als Vormund auszuschließen. Eine von den Eltern benannte Person darf nur ausnahmsweise übergangen werden, beispielsweise wenn der oder die über 14-jährige Jugendliche widerspricht (§ 1778 BGB).
Mit seltenen Ausnahmen gilt: Jede volljährige Person kann Vormund oder Ergänzungspflegerin werden. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen
Wenn Angehörige oder nahestehende Personen eines Kindes Vormund werden, bspw. die Großeltern, handelt es sich um eine ehrenamtliche Vormundschaft. Sehr häufig wird jedoch ein*e Mitarbeiter*in des Jugendamts, manchmal auch ein* Mitarbeiter*in eines Vereins Vormund (siehe Frage 1), weil eine geeignete Einzelperson, die bereit ist ehrenamtlicher Vormund zu sein, nicht zur Verfügung steht. Seltener wird eine Person bestellt, die als beruflicher Vormund selbständig tätig ist. Amts-, Vereins- und berufliche Vormund*innen nehmen ihre Aufgaben professionell wahr. Sie besitzen meistens eine sozialpädagogische oder Verwaltungsausbildung.
Ein*e Vormund*in trifft wichtige Entscheidungen für ein Kind, die sonst die Eltern treffen. Seine Entscheidungen muss der Vormund immer in altersangemessener Weise mit dem Kind besprechen. Vormund*innen müssen beispielsweise einwilligen, wenn eine Jugendliche an einer Klassenfahrt teilnehmen will, eine Operation ansteht oder ein Jugendlicher ein Arbeitsverhältnis beginnt. Vormund*innen haben auch das Recht Häufigkeit, Dauer und Gestaltung von Eltern-Kind-Besuchen zu bestimmen. Dabei müssen sie das Umgangsrecht von Eltern und Kind (§ 1684 BGB), aber auch die Situation der Pflegeeltern oder der Einrichtung, in der das Kind lebt, einbeziehen (zu Unstimmigkeiten und Streit über Umgangsregelungen siehe auch Frage 7).
Der Vormund soll „die Pflege und Erziehung des Minderjährigen fördern und gewährleisten“ (§ 1800 BGB). Vormund*innen beantragen daher bspw. Hilfen zur Erziehung, z. B. dass das Kind in einer Wohngruppe wohnen kann oder etwa eine besondere Förderung durch einen heilpädagogischen Hort erhält.
Damit eine Vormund*in weiß, was sie für ein Kind (oder Jugendliche*n) tun kann, welche Förderung es bspw. braucht, muss sie etwas über das Kind und auch über seine Wünsche wissen. Deswegen sind Vormund*innen verpflichtet zu regelmäßigem Kontakt mit dem Kind/Jugendlichen, in der Regel einmal im Monat (§ 1793 Abs. 1a BGB).
Durch die Treffen lernt die Vormundin das Kind oder den Jugendlichen kennen, auch damit sie dessen Interessen in der Hilfeplanung gut vertreten kann. So soll dafür gesorgt werden, dass das Kind oder der Jugendliche in der Hilfeplanung ausreichend beteiligt wird und seine Ansichten und Wünsche nicht zu kurz kommen. Die Interessen des Kindes/Jugendlichen zu vertreten, bedeutet auch, dass ein Vormund ggf. Widerspruch einlegen oder klagen kann, sollte das Jugendamt bspw. eine geeignete und notwendige Hilfe (z. B. eine heilpädagogische Maßnahme) nicht bewilligen. Dies gilt auch für Amtsvormund*innen, auch wenn sie in derselben Behörde arbeiten wie die Fachkräfte des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), die eine Hilfe vielleicht abgelehnt haben.
Neben den Vormund*innen können und sollten Eltern zum Hilfeplangespräch eingeladen und ihre Meinung gehört werden, auch wenn sie nicht über das Sorgerecht verfügen. Das ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber die Fachleute befürworten es. Wenn Eltern noch über einen Teil des Sorgerechtsverfügen (siehe Frage 8), muss das Jugendamt sie an der Hilfeplanung beteiligen (§ 36 Abs. 1 SGB VIII).
Sollten Sie und/oder Ihr Kind mit Entscheidungen des Vormunds nicht einverstanden sein, lohnt es sich, in einem ersten Schritt das Gespräch mit dem Vormund zu suchen. Sie finden eventuell gemeinsam eine Lösung oder die Vormundin erklärt Ihnen, wie es zu einer bestimmten Entscheidung kam. Sollte das Gespräch nicht zu Ihrer Zufriedenheit laufen, können Sie Ihr Anliegen im Hilfeplangespräch besprechen. Im Hilfeplangespräch sitzen Ihr Kind, die Mitarbeiterin des ASD, die Vormundin, die Erzieherin und Sie zusammen; manchmal auch noch weitere Personen. Hier werden Probleme besprochen und gemeinsam Lösungen gefunden und Ziele formuliert. Die Ergebnisse des Hilfeplangesprächs werden anschließend im Protokoll festgehalten, das Ihnen zugeschickt wird. Wenn Sie noch einen Teil des Sorgerechts haben, steht es Ihnen gesetzlich zu einen „Beistand“ mit ins Hilfeplangespräch nehmen (§ 13 SGB X). Der Beistand kann eine gute Freundin, eine verwandte Person oder eine weitere Fachkraft (z. B. eine Ombudsperson) sein, die Sie im Hilfeplangespräch unterstützt. Wenn Sie nicht über das Sorgerecht verfügen, können Sie dennoch mit dem Jugendamt besprechen, dass Sie einen Beistand mitbringen möchten.
Sollte Ihr Anliegen im Hilfeplangespräch nicht berücksichtigt werden, können Sie sich außerhalb der Hilfeplanung Unterstützung suchen, z. B. bei einer Ombudsstelle. Ombudsstellen bieten Beratung und Unterstützung für Eltern und ihre Kinder an, wenn diese sich vom Jugendamt nicht ausreichend beteiligt fühlen oder Konflikte mit der Vormundin auftreten. Gemeinsam mit Ihnen wird die Ombudsperson eine Lösung für Ihr Problem suchen, immer unter Berücksichtigung des Kindeswohls. Sie kann Ihnen Tipps geben, wie Sie den Konflikt eigenständig lösen können, oder weitere Kontaktpersonen vermitteln. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Ombudsperson Sie ins Hilfeplangespräch begleitet, wenn Sie das möchten. Ombudsstellen in Ihrer Nähe.
Schließlich können Sie sich auch an das Familiengericht bzw. an die Rechtspflegerin wenden. Wenn es Unstimmigkeiten bezüglich der Umgangsregelungen und Besuche Ihres Kindes gibt, die anders nicht zu lösen sind, können Sie bei Gericht einen Antrag auf eine Umgangsregelung stellen. An eine gerichtliche Regelung muss auch der Vormund sich halten. Auch wenn Sie den Eindruck haben, dass die Vormundin nicht im Interesse Ihres Kindes handelt, können Sie sich an das Familiengericht wenden. Zuständig ist die Rechtspflege. Der Rechtspfleger oder die Rechtspflegerin wird Sie zu Ihrer Beschwerde anhören, möglicherweise auch das Kind und den Vormund. Wenn das Familiengericht zu der Auffassung kommen, das ein*e Vormund*in die Interessen des Kindes verletzt, kann es ihm aufgeben, anders zu handeln. Nur im Ausnahmefall wird es eine*n Vormund entlassen.
Die Ergänzungspflegerin übernimmt im Unterschied zum Vormund nur einen Teil der Sorge für ein Kind. Das kann bspw. nur die Vermögenssorge sein. Häufig überträgt das Familiengericht drei Bereiche auf eine*n Ergänzungspfleger*in: die Gesundheitssorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen. Wenn das Familiengericht bspw. eine Ergänzungspflegerin nur für das Aufenthaltsbestimmungsrecht bestellt, entscheidet diese über den Lebensmittelpunkt des Kindes/Jugendlichen. Die Eltern behalten das Recht, Entscheidungen hinsichtlich der Wahl einer Kindertagesstätte, der Schule, über die Förderung des Kindes in einer Therapie, die Behandlung bei Ärzten oder den Beitritt zu einem Verein zu treffen. Je nach Entwicklungsstand des Kindes müssen Eltern (aber auch der Vormund) das Kind dabei einbeziehen (§ 1626 BGB). Wenn das Kind in einer Pflegefamilie oder Einrichtung wohnt, ist es allerdings sinnvoll und auch rechtlich vorgesehen, dass die Pflegeeltern bzw. Erzieher*innen Entscheidungen in alltäglichen Angelegenheiten treffen, bspw. über die Erledigung von Hausaufgaben oder die Computernutzung (§ 1688 Abs. 1 BGB).