Icon Pfeil Icon Suche Zum Inhalt springen

Die Vormundschafts­reform

Dokumente, Diskussion und Hinweise für die Praxis

Der Materialienband des Bundesforums zur Vormundschaftsrechtsreform kann heruntergeladen oder unter info@vormundschaft.net bestellt werden.

  1. Arbeitshilfen, Aufsätze und Synopsen zur Reform
  2. Kernpunkte der großen Vormundschaftsreform
  3. Gesetzentwurf, Dokumente aus dem Gesetzgebungsprozess
  4. Entwicklung der Reformdiskussion und zentrale Kritikpunkte an der Reform im Gesetzgebungsprozess

1. Arbeitshilfen, Aufsätze und Synopsen zur Reform

Arbeitshilfen

Aufsätze und Publikationen zur Reform

2023

2022

2021

  • Berger, Heike/Patrin, Simone (2021): Vormundschaftsrechtsreform: „Was kommt auf die Vereine zu?”, JAmt, 8.
  • Bode, Eva (2021): Das neue Vormundschaftsrecht. Einführung. Erläuterungen. Materialien. Schnellüberblick. Köln. Reguvis, 384 Seiten.
  • Eschelbach, Diana (2021): Rechtsaspekte zu Vormundschaft und Pflegschaft in der Pflegekinderhilfe: Rollen, Aufgaben, Regelungen – was müssen Fachkräfte wissen?, Berlin: Kompetenzzentrum Pflegekinder e.V.
  • Hoffmann, Birgit (2021): Kooperation zwischen Familiengericht und Vormundin nach dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, JAmt, 242.
  • Hoffmann, Birgit (2021): Der zusätzliche Pfleger nach § 1776 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ, 1773.
  • Lange, Burkhard (2021): Der untaugliche Regelungsvorschlag zur Flexibilisierung der Zuständigkeit für die bestellte Amtsvormundschaft im Gesetzentwurf zur Vormundschaftsrechtsreform, JAmt, 121.
  • Lange, Burkhard (2021): Normative Luftnummer statt Klarstellung, JAmt, 122.
  • Lohse, Katharina, Wunderlich, Heike (2021): Die Reform des Vormundschaftsrechts. Das Kind im Mittelpunkt der Vormundschaft. In: Wedermann, Stefan u.a. (Hrsg): Vormundschaft. Sozialpädagogischer Auftrag – Rechtliche Rahmung -Ausgestaltung in der Praxis, 5.
  • Socha, Ingo (2021): Sicherheit statt Sollbruchstelle – der „vorläufige Vormund“ in der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts”, FamRZ, 87.
  • Socha, Ingo (2021), Die Auskunftspflicht des Betreuers gegenüber Angehörigen nach dem neuen § 1822 BGB, FamRZ, 1861.
  • Veit, Barbara (2021): Die Rechtsstellung der Pflegeperson nach dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ, 1501.
  • Wedel, Dirk/Kraemer, JörgHyla, Anna (2021) Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht aus Sicht der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen” FamRZ, 77.

2020

  • Dürbeck, Werner (2020): Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 25.9.2020, FamRZ, 1789
  • Hoffmann, Birgit (2020): Die große Reform des Vormundschaftsrechts – Was kommt auf die Jugendämter zu?, FamRZ, 546
  • Münch, Christof (2020): Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts: Vermögensverwaltung”, FamRZ, 1513.
  • Stehle, Bettina (2020): Der neue § 55 Abs. 5 SGB VIII Trennung der Aufgaben der Pflegschaft/Vormundschaft von den übrigen Aufgaben des Jugendamts, JAmt, 565.
  • Wunderlich, Heike (2020): Die lang erwartete Vormundschaftsreform, ZKJ, 448.

2019

2018

Synopsen

2. Kernpunkte der großen Vormundschaftsreform

Das lang angekündigte Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wurde am Freitag, den 5. März 2021 im Bundestag beraten und beschlossen – in einer vom Rechtsausschuss geänderten Form. Der Bundesrat hat am 26. März 2021 zugestimmt. Das Gesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 21, ausgegeben zu Bonn am 12. Mai 2021 veröffentlicht. Für das Vormundschaftsrecht ist trotz Änderungen auch der Regierungsentwurf vom 18.11.2020 weiterhin eine verlässliche Informationsquelle, denn es wurden vom Bundestag vor Verabschiedung nur noch Änderungen im Betreuungsrecht vorgenommen.

Im Folgenden werden ausschließlich Kernpunkte des Vormundschaftsrechts genannt, das Betreuungsrecht bleibt ausgeklammert.

  • Neugliederung des Vormundschaftsrechts.
  • Einführung von Rechten der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem/der Vormund*in
    (§ 1788 BGB-E)
  • Korrespondierende Pflichten des Vormunds, die die persönliche Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen noch deutlicher herausstellt (§ 1790 BGB-E).
  • Alleiniger Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft. Gleichstellung aller anderen Formen. Darlegungspflicht und Begründungspflicht des Jugendamts gegenüber dem Familiengericht zur Suche nach einer ehrenamtlichen Vormund*in, (§§ 1779 Abs. 2, 1804 Abs. 1 Nr. 2 BGB-E; § 53 SGB VIII-E).
  • Gebote an die Vormundschaft, mit den Erziehungspersonen zusammenzuarbeiten und neue Möglichkeiten dafür, das Sorgerecht zwischen mehreren Personen aufzuteilen. In Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung können Vormund*in und Pflegeeltern gemeinsam die sorgerechtliche Verantwortung übernehmen (§§ 1776, 1777, 1792, 1793, 1796, 1797 BGB-E).
  • Stärkere Orientierung der Prinzipien bei Auswahl des Vormunds am Kind
    (§ 1778, 1779 Abs. 1 BGB-E).
  • Explizite Einführung einer vorläufigen Vormundschaft, um ggf. eine*n geeignete*n Vormund*in für das jeweilige Kind zu suchen (§ 1781 BGB-E).
  • Verschiebung der vermögensrechtlichen Vorschriften in das Betreuungsrecht. Das Vormundschaftsrecht verweist künftig in diesem Punkt auf das Betreuungsrecht, statt, wie bisher umgekehrt.
  • Funktionelle, organisatorische und personelle Trennung des Bereichs Vormundschaft von anderen Tätigkeitsbereichen im Jugendamt (§ 55 SGB VIII-E).

3. Gesetzentwurf und Dokumente aus dem Gesetzgebungsprozess

4. Entwicklung der Reformdiskussion und zentrale Kritikpunkte an der Reform im Gesetzgebungsprozess

2011 wurde der Tod des Jungen Kevin, der unter Vormundschaft stand, in Bremen, Anlass für die so genannte “Kleine Vormundschaftsreform”. Diese beinhaltete indes einige sehr wesentliche Veränderungen, die zu einer erheblichen Entwicklung im Bereich der Vormundschaften, insbesondere der Amtsvormundschaften geführt hat: So wurde

  • die Zahl von maximal 50 Vormundschaften oder Pflegschaft pro vollzeitbeschäftige Fachkraft in
    § 55 SGB VIII eingeführt;
  • die persönliche Verantwortung des/der Vormund*in dafür, dass Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen sichergestellt sind in § 1800 BGB betont;
  • eine Pflicht zum persönlichen, in der Regel monatlichen Kontakt zwischen Vormund*in und Kind/Jugendlichem in § 1793 Abs. 1a verankert.

Schon bald nach dieser „kleinen Vormundschaftsreform“ folgte die Ankündigung einer grundlegenden Überarbeitung des Vormundschaftsrechts: 2014 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Eckpunkte zu dieser Reform. 2016 folgte ein erster Diskussionsteilentwurf, Ende 2018 der 2. Diskussionsteilentwurf, zu dem das Bundesforum eine Stellungnahme abgab. Am 25.6.2020 wurde schließlich der Referentenentwurf veröffentlicht.

Die Gesetzentwürfe zielen auf eine Neugliederung des Vormundschaftsrechts ab, das systematischer aufgebaut wird. Inhaltich betrachtet werden Rechte der Kinder und Jugendlichen unter Vormundschaft eingeführt und die entsprechenden Pflichten des Vormunds, die sich in ihrem Gehalt nicht wandeln, etwas deutlicher herausgearbeitet. Der Inhalt einiger kindschaftsrechtlicher Vorschriften soll nun explizit ins Vormundschaftsrecht übernommen werden, – so etwa der § 1688 BGB, nachdem Pflegepersonen über Bestimmungsrechte in alltäglichen Angelegenheiten verfügen (§ 1798 BGB-E). Zudem ist geplant, die vermögensrechtlichen Vorschriften in das Betreuungsrecht zu verschieben, wo sie von größerer Relevanz sind. Durch Verweisung werden sie für die Vormundschaft Gültigkeit behalten.

Der Regierungsentwurf zur Refom des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 20.9.2020 hat nur wenige Anregungen und Kritikpunkte aus den zahlreichen Stellungnahmen zum Referentenentwurf aufgenommen. Das Bundesforum hatte in seiner Stellungnahme den RefE im Grundsatz begrüßt, jedoch an einigen grundsätzlichen Punkten Kritik angemeldet (s. oben). Erfreulicherweise wurde die Kritik, dass der Referentenentwurf das Verhältnis zwischen Vormund*innen und Erziehungspersonen berücksichtigt, aber die Eltern keine Beachtung finden, gehört: § 1790 Abs. 2 BGB-E wurde um folgenden Satz ergänzt: „Der Vormund soll bei seiner Amtsführung im Interesse des Mündels zu dessen Wohl die Beziehung des Mündels zu seinen Eltern einbeziehen.“
Die Kritik des Bundesforums daran, dass die nicht behördlichen Formen der Vormundschaft zwar laut Gesetzesbegründung gestärkt werden sollen, tatsächlich aber keinerlei strukturelle und finanzielle Unterstützung der Formen der Vereins-, ehrenamtlichen und Berufsvormundschaft erfolgt, wurde leider nicht berücksichtigt. Anders als im Teil des Gesetzentwurfs zum Betreuungsrecht werden die Vereine sogar geschwächt: Im Betreuungsrecht wird die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur der Vereine zumindest anerkannt und der Verein kann als Institution zum Betreuer bestellt werden. Im Vormundschaftsrecht, in dem es um Kinder und Jugendliche geht, konnte die Regierung sich bisher nicht durchringen, zumindest gleichwertige Bedingungen zu schaffen.

  • Zwar will der Gesetzentwurf der beschriebenen Absicht nach die nicht-behördlichen Formen der Vormundschaft stärken, insbesondere die ehrenamtliche Vormundschaft, aber auch Vereins- und berufliche Vormundschaft. Tatsächlich schwächt er zumindest die wichtige Form der Vereinsvormundschaft jedoch strukturell: Obwohl den Vereinen daraus Nachteile erwachsen, erlaubt der Entwurf – anders als im Betreuungsrecht – nur noch die Bestellung eines Vereinsmitarbeiters zum Vormund, nicht die Bestellung des Vereins; im Betreuungsrecht wird die Bestellung des Betreuungsvereins hingegen möglich.
  • Während der Entwurf den Beziehungen zwischen Vormund*in und Erziehungsperson viel Aufmerksamkeit schenkt, fanden die Eltern zunächst – auch im Fall von Ergänzungspflegschaft – keinen Eingag in den Referentenentwurf. Erfreulicherweise wurde die Kritik des Bundesforums daran gehört: § 1790 Abs.2 BGB-E wurde zumindest um folgenden Satz ergänzt: „Der Vormund soll bei seiner Amtsführung im Interesse des Mündels zu dessen Wohl die Beziehung des Mündels zu seinen Eltern einbeziehen.“
  • Der § 87c SGB VIII wurde so unzureichend behandelt, dass der Rechtsstreit darüber, ob die Familiengerichte bei einem Wechsel des Aufenthalts des Kindes an diese Vorschrift gebunden sind oder aus Kindeswohlgründen im Einzelfall auch abweichend entscheiden können, weiterhin virulent bleiben wird. Damit werden Bedürfnisse des Kindes/Jugendlichen nach Kontinuität übergangen.

Interesse am Bundesforum?