Hier finden Vormund:innen eine Reihe von Hinweisen zu grundlegenden Fragen ihrer Tätigkeit
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Eine Vormundschaft gilt immer einem bestimmten Kind. Das gilt auch, wenn ein Vormund 20, 30 oder sogar 50 Vormundschaften führt (das Bundesforum empfiehlt eine Fallzahl von maximal 30 auf einer Vollzeitstelle). Im Jugendamt ist die Vormundin oder der Vormund die einzige Fachkraft, deren Tätigkeit in dieser Weise personengebunden ist. Fachkräfte der sozialen Dienste haben demgegenüber Aufgabenbereiche, die nicht an bestimmte Personen gebunden sind und in die bspw. Hilfeplanung, Trennungs- und Scheidungsberatung oder Akquise von Pflegefamilien fallen können. In der umfassenden persönlichen Verantwortung der Vormund:innen liegen Herausforderungen, aber auch eine große Chance zum Beziehungsaufbau und zur Förderung der Entwicklung der Kinder.
Die Vormundin oder der Vormund steht zum einen an der Seite des ihm anvertrauten Kindes und begleitet es kontinuierlich. Dabei spielen Fragen der Beteiligung, des Beziehungsaufbaus, der Beratung und Unterstützung oft eine größere Rolle als formale Entscheidungen.
Zum anderen ist der oder die Vormund:in Partner:in in einem komplexen Hilfesystem, indem Fachkräfte der sozialen Dienste, der Hilfen zur Erziehung, aber auch Eltern und Pflegeeltern eine Rolle spielen. Für die Vormund:in gilt es, Bedarfe und Bedürfnisse, Wünsche und Kritik des Kindes/Jugendlichen zu vermitteln und mit den Möglichkeiten und Grenzen der anderen Beteiligten und der Rahmenbedingungen abzugleichen.
Das ist nicht immer einfach und stellt sich oft als längerer Prozess dar. Manchmal heißt es, der Ort dafür sei das Hilfeplangespräch. Das ist richtig, jedoch müssen im Hilfeplangespräch in relativ kurzer Zeit gemeinsame Wege und Lösungen „festgeklopft“ werden. Das kann nur bei entsprechender Kommunikation und Kooperation auch schon in der Vorbereitung gelingen.
Der größte Anteil der Vormundschaften wird von Jugendämtern geführt. Die Vormundschaftsrechtsreform hat allerdings den Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft noch einmal herausgearbeitet und gestärkt. Daher sind viele Jugendämter derzeit dabei, Akquise, Schulung und Beratung ehrenamtlicher Vormund:innen auszubauen. Schon bisher gab es auch zahlreiche Vereine und Initiativen, die ehrenamtliche Vormundschaften v.a. im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fördern. Zahlen zu diesen Bemühungen und den resultierenden ehrenamtlichen Vormundschaften auf Länder- und Bundesebene sind jedoch nicht vorhanden, weil Statistiken bisher nur über Amtsvormundschaften/-pflegschaften, nicht aber zu ehrenamtlichen Vormundschaften geführt werden.
Daher gibt es nur Schätzungen, die bisher annehmen, dass Amtsvormundschaften etwa 70 bis 80 % aller Vormundschaften und Pflegschaften ausmachen. Dazu kommen neben den ehrenamtlichen noch die Vereins- und Berufsvormundschaften. Die Gesetzesbegründung zur Vormundschaftsrechtsreform macht deutlich, dass auch diese beiden anderen nicht behördlichen Typen der Vormundschaft, die Vereins- und Berufsvormundschaft Beachtung im Gesamtsystem der Vormundschaft finden sollen. Vereinsvormundschaften spielen in einigen Bundesländern, besonders in Nordrhein-Westfalen und Bayern eine zahlenmäßig größere Rolle, sind aber in vielen anderen Bundesländern auch vertreten. Die Vereine versuchen in Eigenregie, Zahlen zu den Vereinsvormundschaften zu erheben, eine Übersicht überBerufsvormundschaften gibt es nicht. Für die Förderung bzw. den Erhalt von Vereins- als auch Berufsvormundschaften ist neben einer Verbeserung der bisher unzureichenden Finanzierungsgrundlage die Bestellpraxis der Gerichte zentral.
Aus Sicht des Bundesforums ist das Zusammenspiel der vier Typen der Vormundschaft ein wichtiger Motor für die Entwicklung von Qualität. Vereine und ihre Träger, aber auch Verbände der Berufsvormünder setzen sich mit vielen Fragen anders auseinander als Behörden und haben in der Vergangenheit wichtige Impulse für die Vormundschaft und ihre Adressat:innen, die Kinder und Jugendlichen geliefert (bspw. Kooperationsempfehlungen des SkF/Caritas und Standards des BVEB). Zudem haben Vereine und Berufsvormund:innen eine gegenüber dem Jugendamt unabhängigere Stellung und sind daher freier darin, Widerspruch einzulegen oder auch eine Leistung vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen. Die (relative) Weisungsfreiheit des Amtsvormunds in der Hierarchie der Behörde soll ihn zwar in seiner Unabhängigkeit stärken, die dienstliche Einbindung in die Behörde und ihre Abläufe bleibt aber bestehen und erschwert in manchen Fällen die unabhängige Interessenwahrnehmung. Ehrenamtliche Vormund:innen haben die weitestgehend unabhängige Stellung, da sie an keinerlei Weisungen oder Finanzierungsträger gebunden sind. Ihr Vorteil ist außerdem darin zu sehen, dass ehrenamtliche Personen idR nur eine oder wenige Vormundschaften führen, daher mehr Zeit aufbringen und junge Erwachsene häufig über das 18. Lebensjahr hinaus unterstützen. Alle Formen beruflicher Vormundschaft verfügen demgegenüber über besondere Expertise, Verein und Jugendamt über eine Infrastruktur, die Vernetzung sichert.
Das Familiengericht hat bei gleicher Eignung einer ehrenamtlichen Person, die zur Verfügung steht, den Vorzug vor allen anderen Formen der Vormundschaft zu geben (§ 1779 Abs. 2 BGB). Damit dem Familiengericht überhaupt eine ehrenamtliche Person, die geeignet ist als mögliche Vormund:in benannt werden kann, bemühen sich immer mehr Jugendämter um systematische Akquise, Schulung und Beratung von ehrenamtlichen Vormund:innen.
Dasselbe gilt für Berufs- und Vereinsvormundschaften. Einzelne Jugendämter haben schon eine Fach- oder Koordinierungsstelle eingerichtet, deren Mitarbeiter:innen die Aufgabe haben für ein Spektrum an möglichen Vormund:innen zu sorgen und dem Familiengericht jeweils eine: geeignete: Vormund:in vorzuschlagen. Gerade wenn zwischen den Eltern des Kindes und dem Jugendamt erhebliche Konflikte bestehen, kann es bspw. auch sinnvoll sein, eine Berufs- oder eine: Vereinsvormund:in zu bestellen.
Jugendämter, die Interesse haben, solche Aktivitäten auszubauen, können sich in der Koordinierungsstelle des Bundesforums nach Kontakten erkundigen. Eine Bestellpraxis, die alle Möglichkeiten berücksichtigt und ausschöpft, wird sich in einer fallübergreifenden Kooperation zwischen Jugendamt und Familiengericht am besten erreichen lassen.
Durch das neue Vormundschaftsrecht wurde die Bedeutung der Beteiligung der Kinder und Jugendlichen noch weiter in den Vordergrund gestellt als zuvor: Seit Inkrafttreten der Reform soll der Wille des Kindes schon bei der Auswahl des Vormunds oder der Vormundin an erster Stelle der beachtlichen Aspekte stehen (§ 1779 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und Kindern und Jugendlichen wird gegenüber der: Vormund:in das explizite Recht auf persönlichen Kontakt, Achtung ihres Willens und Beteiligung an Angelegenheiten, von denen das Kind/die oder der Jugendliche betroffen ist, zugesprochen (§ 1788 Nr. 1-5 BGB). Die Beteiligung soll den Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen berücksichtigen.
Nun ist es keine einfache Sache, Kinder und Jugendliche zu beteiligen, sondern es stellen sich vielfache Fragen:
Solche Fragen stellen sich Vormund:innen und Pfleger:innen in konkreter Form ständig, – wenn es bspw. darum geht, ob der/die Vormund:in Fotoaufnahmen genehmigt, wenn einer Jugendlichen angeboten wird, als Modell zu posieren, wenn es darum geht, inwieweit das Kind bei Behandlungsentscheidungen beteiligt wird oder wenn z. B. ein Wechsel des Lebensmittelpunktes eines kleinen Kindes ansteht.
Eine systematische Diskussion darüber, wie eine Vormundin oder ein Ergänzungspfleger bei der Beteiligung vorgehen kann (Methoden, Entwicklungsstadien der Kinder) oder welche Mindeststandards bei Bemühungen um Beteiligung einzuhalten sind, gibt es bisher nicht.
Literatur und Tipps zu Beteiligung aus anderen Bereichen sind aber vorhanden. Für die Vormundschaft ist insbesondere die Diskussion im Bereich der erzieherischen Hilfen, besonders der Heimerziehung interessant. Das vormundschaftliche Handeln findet allerdings in deutlich anderem Kontext als die Hilfen zur Erziehung statt. Vormund und Vormundin sind in den allermeisten Fällen gerade nicht in den Alltag der Kinder und Jugendlichen eingebunden, sondern besprechen grundlegende Entscheidungen mit ihnen. Das kann ein großer Vorteil sein, denn die Beziehung zur Vormund:in ist unbelasteter von Alltagskonflikten. Auch grundlegende Fragen wie z. B. „Was will ich mal werden?“, „Wie will ich mal sein?“, „Was will ich mit meinem Leben anfangen?“ können – unbelasteter von Alltagsproblemen – besprochen werden. Es gibt aber möglicherweise auch Themen, die das Kind oder der Jugendliche bevorzugt mit seinen Erzieher:innen oder Pflegeeltern besprechen möchte, weil sie durch den dauerhaften Kontakt und die enge Beziehung geeignete Ansprechpersonen darstellen.
Dennoch können Empfehlungen und Literatur aus anderen Bereichen Anregungen liefern und einen Ausgangspunkt für eigenständige Überlegungen für die Vormundschaft bilden. Zu nennen sind etwa:
Das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft gibt im Methodenkoffer Beteiligung weitere Anregungen..
Die Person, die eine Vormundschaft im Jugendamt führt, handelt in Bezug auf ihre Entscheidungen gegenüber den jungen Menschen weisungsfrei. Das gilt gegenüber der Hierarchie in der Behörde Jugendamt, nicht allerdings in Bezug auf die Dienstaufsicht. Aber auch gegenüber dem Familiengericht, das nur bei Pflichtwidrigkeiten einschreiten darf, handelt die: Vormund:in selbstständig (siehe Informationen zur Vormundschaft für Familiengerichte, Frage 5 und 7),
Die Weisungsfreiheit des Amtsvormunds soll dessen Freiheit, allein im Interesse des Kindes/ Jugendlichen zu handeln, gewährleisten. Widersprüche zwischen Behörden- und Kindesinteresse können bspw. bzgl. der Finanzierung einer Hilfe auftauchen. Aber auch im Hinblick auf organisatorische Regelungen im Jugendamt kann es Gegensätze geben, wenn etwa ein Kind schon lange in so einer Familie lebt und es aus Sicht des Vormunds das Beste wäre, es könnte dort bleiben, das Jugendamt aber auf Wechsel drängt, weil es seine ausgebildeten Bereitschaftspflegefamilien für kurzfristige Aufnahmen braucht,. Zur Weisungsfreiheit gehört es auch, dass ein:e Vormund:in gegen die Entscheidung des ASD, eine Hilfe nicht zu gewähren, Widerspruch einlegen oder auch klagen kann. Allerdings kommt es kaum vor, dass ein Vormund gegen das eigene Jugendamt klagt. Klagen gegen andere Jugendämter sind dagegen nicht ganz selten. Das zeigt, dass die Einbindung in die Behörde auch bei formaler Weisungsfreiheit „gefühlte“ Einschränkungen mit sich bringt.
Es ist also schon eine spannende Frage, wie Weisungsfreiheit in einer Behörde gestaltet werden kann, damit die Fachkräfte der Vormundschaft/Pflegschaft Sicherheit haben, dass das Eintreten für die Interessen des Kindes/Jugendlichen keine Nachteile für die eigene Person und das Dienstverhältnis mit sich bringt.
Gleichzeitig steht die Weisungsfreiheit in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Qualitätsentwicklung. Selbstverständlich ist mit der Weisungsfreiheit nicht angesprochen, dass jede: Vormund:in machen und entscheiden soll, was er oder sie gerade für richtig hält. Eine allgemeine Richtlinienkompetenz billigt das DIJuF bspw. in seinen Rechtsgutachten den Leitungen im Jugendamt zu, damit sie sicherstellen können, dass bestimmte Vorgehensweisen eingehalten werden. In der Sache dürfen sich Leitungen aber letztlich nicht einmischen, – immer muss individuell und unter Beteiligung des Kindes entschieden werden (siehe auch Punkt 3).
Aus Sicht des Bundesforums steht es an, dass erfahrene Vormund:innen in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft Eckpunkte für die Entwicklung von Qualitätskriterien erarbeiten, ohne dass die Weisungsfreiheit ausgehöhlt wird. Es sollten Kriterien bspw. zu Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, aber auch zu notwendigen Informationen vor einer Entscheidung und zu Kommunikations- und Kooperationsprozessen im Kontext vormundschaftlichen Handelns entwickelt werden, – nicht aber Vorgaben dazu, wie die Entscheidung letztlich ausfallen soll. Ein Beispiel: Die Frage, ob eine Jugendliche ein Tattoo stechen lassen darf, bleibt Entscheidung des Vormunds, – Beteiligung der Jugendlichen vorausgesetzt. Welche Informationen der Vormund einholt und welche Inhalte der Jugendlichen vermittelt werden müssen und mit wer (Pflegeeltern?) außerdem einbezogen werden soll, kann jedoch Qualitätskriterium sein. Die Zusammenstellung grundlegender Informationen zu Handlungs- und Entscheidungsbereichen von Vormund:innen – hier dem Stechen von Tattoos – würde dabei eine Erleichterung darstellen.
Vormund:innen sind verpflichtet, mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen regelmäßig Kontakt zu halten (§ 1790 Abs. 3 BGB). Die persönlichen Kontakte sollen gewährleisten, dass Vormund:innen ihre Entscheidungen auf den eigenen Einblick in die Lebensverhältnisse des Kindes/Jugendlichen stützen können. Außerdem geben sie Gelegenheit zur Beteiligung der Kinder/Jugendlichen (s. auch Punkt 3).
Die Norm, die die Kontaktpflichten regelt (§ 1790 Abs. 3 BGB) wurde 2023 aktualisiert. Vorher hatte es viele Hinweise aus der Fachwelt gegeben, dass eine starre monatliche Kontaktregelung „Der Vormund ist verpflichtet zu monatlichem Kontakt…“ weder der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen noch der Arbeitssituation der Vormund:innen gerecht würde. Daher wurden Ausnahmen in der Vorschrift vorgesehen:
„Der Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll den Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen, es sei denn, im Einzelfall sind kürzere oder längere Besuchsabstände oder ein anderer Ort geboten.“
In Bezug auf die Vorschrift gibt es bisweilen Unstimmigkeiten zwischen Rechtspflege und Vormundschaft, wenn von der Rechtspflege ohne genaue Betrachtung des Einzelfalls angeordnet wird, die monatliche Kontaktpflicht sei zu erfüllen.
Eine solche schematische Kontrolle monatlicher Besuche durch die Rechtspflege verbietet sich, da sie der individuellen Situation des Kindes/Jugendlichen nicht gerecht werden kann. Wohl aber ist die Nachfrage nach entsprechenden Begründungen von Seiten der: Vormund:in angemessen.
Vormund:innen sollten ihre Kontakte zum Kind im Bericht ans Familiengericht aufzählen und begründen, warum sie seltener (oder bspw. in Krisensituationen deutlich häufiger) Kontakt gehalten haben. Eine Begründung kann sein, dass ein Kind langjährig bei einer Pflegefamilie lebt und sich durch zu häufige Besuche des Vormunds in seinem Familienleben gestört fühlt, dass eine Jugendliche zwar für vorsichtige Kontaktversuche offen ist, sich durch monatliche Kontakte aber kontrolliert fühlt und in Ablehnung verfällt oder dass ein Kind in einer Krise der Unterstützung der Vormundin im besonderen Maße und häufiger als monatlich bedarf. Die Belastung der Pflegeeltern durch zu viele Besuche bei ihnen zu Hause kann begründen, dass Kontakte anderswo – und nicht im häuslichen Umfeld – stattfinden. Im Zentrum steht, dass die: Vormund:in sicherstellt, dass wichtige Ereignisse nicht an ihm vorübergehen und er/sie die Entwicklung des Kindes/Jugendlichen im Blick behalten kann. Auch der Gruppenalltag in einer Einrichtung, in der verschiedene Vormund:innen tätig sind, sollte in den Blick genommen werden. (s. dazu auch: Katzenstein, Vormund/in in Kontakt zum Kind zwischen Einzelfallorientierung und „Regelfall“, JAmt 2013, 234-238).
Die Diskussion über notwendige Ausbildungsgrundlagen für die Vormundschaft ist bisher ausschließlich von der Praxis im Zusammenhang mit der Entwicklung von Hinweisen oder Empfehlungen zur Vormundschaft geführt worden (BAGLJÄ 2023, LVR/LWL/Überregionaler Arbeitskreis 2013). In diesem Zusammenhang werden vielfältige Kenntnisse aufgezählt, über die eine:e Vormund:in verfügen sollte, sowohl sozialpädagogischer als auch rechtlicher Art. Eine Ausbildung oder ein Studium, das die notwendigen Inhalte und Methoden vereint, gibt es bisher nicht. Die Studiengänge, die angeben, Vormund:innen auszubilden, sind i. d. R. auf die rechtliche Betreuung zugeschnitten.
In der Vergangenheit verfügten Amtsvormund:innen überwiegend über Verwaltungsausbildungen. Schon seit der “kleinen Vormundschaftsrechtsreform 2011 werden in weit höherem Maße als es üblich war, auch Sozialpädagog:innen eingestellt. Das ist bekannt aus mündlichen Abfragen bei Fortbildungen, Landesarbeitskreisen und Gesprächen. Empirische Erhebungen fehlen jedoch zu diesem Thema.
Es gibt auch keine empirische Forschung über das Aufgabenspektrum und die Zeitanteile, die Vormund:innen jeweils in Kontakte zum Kind und Beteiligung, mit Kooperationstätigkeiten, mit Verwaltungshandeln und im engeren Sinne rechtlichen Fragen investieren. Eine solche Erhebung, wie sie für die Beistandschaft vor einigen Jahren durchgeführt wurde, wäre interessant als Grundlage für weitere Überlegungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Vormund:innen. Möglicherweise sind Untersuchungen im Rahmen von Organisationsberatungen vor Ort dazu vorhanden.
Es bleibt eine Aufgabe für die Zukunft, die Aus- und Fortbildungsbedarfe der Vormundschaft zu entwickeln. Es gibt jedoch einige Anbieter:innen, die mehrmodulige Weiterbildungen entwickelt haben. Beispielhaft ist hier das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) zu nennen. Die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe bieten ebenfalls Fortbildungsreihen für den Fachdienst Vormundschaft an.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird Eltern häufig nicht die gesamte Sorge entzogen, sondern nur ein Teil davon. Sehr häufig werden Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und das Recht, Hilfen zur Erziehung oder insgesamt Sozialleistungen zu beantragen, gemeinsam entzogen. In diesem typischen Fall bleibt den Eltern bspw. das Umgangsbestimmungsrecht, das Recht schulische Angelegenheiten zu regeln und das Recht bspw. über eine Vereinsmitgliedschaft des Kindes/Jugendlichen zu entscheiden. Es ist jedoch nicht üblich, dass die Sorgebereiche, die den Eltern positiv belassen werden, im familiengerichtlichen Beschluss benannt werden. Ein Aufsatz zu Fragen der Pflegschaft für Minderjährige findet sich bei Socialnet.
In der Praxis stellt sich die Frage, wie die geteilte Sorge konkret umgesetzt werden kann. Viele Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bemühen sich zwar um Beteiligung der Eltern, aber ob ein geteiltes Bestimmungsrecht in der Praxis wirklich realisiert wird bzw. werden kann, ist fraglich. Einen Teil der Sorge bei den Eltern zu belassen, erfüllt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit jedoch nur, wenn die entsprechenden Rechte und Pflichten auch von den Eltern wahrgenommen werden können. In der Praxis ist dies nur der Fall, wenn die Rahmenbedingungen sowie Bereitschaft und Fähigkeiten der Beteiligten eine enge Kooperation und Abstimmung ermöglichen. Wenn nicht, führen unterschiedliche Interessen oder Meinungen von Ergänzungspfleger:innen, Erziehungspersonen und Eltern zu Konflikten, die das Kind belasten. Enttäuschte Erwartungen der Eltern führen manchmal aber auch zu deren vollständigen Rückzug, was Kinder oder Jugendliche sowie die Ergänzungspfleger:in ebenfalls belasten kann.
Die Frage, unter welchen Bedingungen die teilweise Entziehung der Sorge das angemessene Mittel zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung ist und wie die geteilte Sorge bei Ergänzungspflegschaft „gelebt“ werden kann, sollte daher aus Sicht des Bundesforums fachlich und rechtlich vertieft werden. Ein Vorschlag könnte sein, im Verfahren zu erörtern, welche konkreten Sorge-Kompetenzen den Eltern verbleiben sollen und diese im Beschluss auch festzuhalten. Das Ziel wäre es, für Eltern, Ergänzungspfleger:in und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe klare Verhältnisse zu schaffen.
Es kommt immer wieder vor, dass Familiengerichte Vormundschaft anordnen und das Kind/Jugendliche:r seinen Lebensmittelpunkt in der Familie behalten soll. Zwei Fallkonstellationen sind häufiger anzutreffen:
Zum einen wird von manchen Familienrichter:innen eine: Vormund:in im Eilverfahren bestellt, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, das Familiengericht das Kind jedoch keinem Umgebungswechsel aussetzen will. Das Motiv ist verständlich, der Weg jedoch abzulehnen. Es ist rechtlich nicht zulässig eine:n Vormund:in zu bestellen und gleichzeitig den Aufenthalt des Kindes vorzuschreiben. Denn Vormund:innen führen ihr Amt selbständig (bspw. OLG Brandenburg 19.5.2015 – 10 UF 11/15) und das Familiengericht ist nur in Ausnahmefällen bei konkreten Anzeichen für eine Pflichtwidrigkeit befugt, Vormund:innen Vorgaben zu machen. Wenn eine Pflichtwidrigkeit aber bereits bei der Bestellung eines Vormunds konkret zu vermuten ist, dürfte die entsprechende Person oder das Jugendamt wegen mangelnder Eignung gar nicht bestellt werden. Neben dem Recht spricht aber auch die Praxis gegen dieses Vorgehen: Denn ein:e Vormund:in hat, kaum eine Möglichkeit, eine möglicherweise bestehende Kindeswohlgefährdung in der Familie des Kindes durch Gewalt oder Vernachlässigung abzuwenden. Auch im Eilverfahren ist es Aufgabe des Familiengerichts zu ermitteln, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die eine Trennung des Kindes von seiner Familie notwendig erscheinen lässt. Ist dies nicht der Fall, stellt die Bestellung eines Vormunds eine Verschiebung der Verantwortung auf diesen dar, ohne dass er diese Verantwortung handelnd wahrnehmen könnte.
Zum anderen ordnen Familiengerichte zuweilen in Fällen hochstrittiger Elternschaft Vormundschaft an, wenn die Kinder ersichtlich unter den Konflikten der Eltern leiden, eine Trennung vom Obhut habenden Elternteil aber fachlich und aus Sicht des Familiengerichts nicht in Frage kommt. Wenn aber schon bisherige Anordnungen des Familiengerichts zum Umgang oder zur Wohlverhaltenspflicht von den Eltern nicht eingehalten werden (konnten), hat ein:e Vormund:in darüber hinaus keine Handhabe, die Konfliktsituation zu verbessern. Vormund:innen sind keine professionellen Trennungsberater:innen und ihre Entscheidungen laufen ins Leere, wenn sie von den Eltern unterlaufen werden können. Die Bestellung eines Vormunds, wenn die Kinder hochstrittiger Eltern von einem Elternteil nicht getrennt werden können, belastet diese:n daher (wie oben) mit einer Verantwortung, die er/sie in der Praxis nicht wahrnehmen kann.
Was kann nun der/die bestellte Vormund:in unternehmen, wenn Kinder oder Jugendliche unter Vormundschaft bei den Eltern leben? Voraussetzung für alle weiteren Schritte ist die sorgfältige Vorabklärung in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die aktuell eine Herausnahme erfordert, bspw. wegen des Ausmaßes der Streitigkeiten und häuslicher Gewalt der Eltern und des Hineinziehens des Kindes in den Streit.
Steht eine Herausnahme an, ist Folgendes möglich:
Soll das Kind/der/die Jugendliche hingegen seinen Lebensmittelpunkt bei den Eltern behalten:
Der/die Amtsvormund:in kann eine Beschwerde nicht damit begründen, dass er oder sie in eigenen Rechten betroffen ist. Denn das Jugendamt hat kein eigenes Ablehnungsrecht gegen die Bestellung als Vormund – auch nicht, weil es die Bestellung als dysfunktional einordnet.
Neben den hier dargestellten Fällen gibt es die Konstellation, dass die Vormundschaft im Prozess der Rückführung noch einige Zeit aufrechterhalten wird. Dies kann in einer Übergangszeit durchaus sinnvoll sein, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen Vormund und Kind/Jugendlichem entstanden ist.
Gesetzlich vorgegeben ist, dass das Familiengericht die Vormund:innen berät (§ 1802 Abs. 2 BGB), über die gesamte Tätigkeit des Vormunds die Aufsicht zu führen hat und gegen Pflichtwidrigkeiten einschreiten muss (§ 1862 Abs. 3 BGB). Begrenzt wird die Beratungs- und Aufsichtstätigkeit des Familiengerichts dadurch, dass Vormund:innen ihr Amt selbständig führen. Das Familiengericht darf Vormund:innen keine Vorschriften dazu machen, wie sie ihr Amt zu führen haben und welche Entscheidungen sie treffen. Bspw. darf das Familiengericht nicht bei der Bestellung eines Vormunds zugleich den Aufenthaltsort des Kindes vorschreiben, wie es manchmal vorkommt (s. Frage 5).
Nur im Ausnahmefall pflichtwidrigen Handelns des Vormunds darf und muss das Familiengericht durch Ge- oder Verbote einschreiten. Pflichtwidriges Handeln liegt vor, wenn ein:e Vormund:in gegen die Interessen des ihm/ihr anvertrauten Kindes/Jugendlichen verstößt. Ein solcher Verstoß kann z.B. darin liegen, dass Kinder/Jugendliche nicht altersangemessen an Entscheidungen beteiligt werden und/oder ohne nachvollziehbare Gründe Wünsche einer/eines Jugendlichen bspw. hinsichtlich der Schullaufbahn, der Ausbildung oder etwa der Betätigung in einem Verein nicht erfüllt werden. Pflichtwidrig handelt ein:e Vormund:in auch bei Verstoß gegen Gesetze oder gegen gerichtliche Entscheidungen bspw. in Umgangssachen.
Im Normalfall beschränkt sich die familiengerichtliche Aufsicht jedoch auf die Kenntnisname des jährlichen Berichts der Vormund:innen (§ 1863 BGB) sowie Nachfragen und ggf. Hinweise dazu.
Es ist ein Grundproblem familiengerichtlicher Aufsicht, dass die Grenze zwischen rechtlicher Zulässigkeit und fachlicher Angemessenheit der Tätigkeit des Vormunds fließend ist. Für die Rechtspflege sind bspw. keine definierten Anhaltspunkte dafür vorhanden, welche Vorgehensweisen des Vormunds oder der Vormundin fachlich noch vertretbar sind. Es ist bspw. unklar, welche Mindestanforderungen an Beteiligung des Kindes/Jugendliche zu stellen wären – immer gegeben, dass Vormund:innen um Beteiligung von Kindern und Jugendlichen häufig ringen müssen. Zudem liegen dem Familiengericht neben dem Bericht des Vormunds idR meist keine Erkenntnisquellen vor, die auf ein möglicherweise pflichtwidriges Handeln des Vormunds hindeuten können.
Daher hat die Vormundschaftsrechtsreform mit § 1803 BGB eine Vorschrift zur persönlichen Anhörung von jungen Menschen unter Vormundschaft eingeführt. Diese Norm schreibt den Rechtspfleger:innen vor, “in geeigneten Fällen und wenn es nach dem Entwicklungsstand des Mündels angezeigt ist, bei Anhaltspunkten für Pflichtwidrigkeiten den jungen Menschen persönlich anzuhören (Nr. 1). Außerdem sollen – ebenfalls in geeigneten Fällen – der Anfangs- und Jahresbericht der: Vormund:in mit dem jungen Menschen besprochen werden (Nr. 2). Die Interpretation mancher Amtsgerichte, dass dies regelmäßig in allen Fällen zu geschehen habe ist falsch und beruht darauf, dass der erste Satz der Norm nicht mitgelesen wird, wenn die Nr. 2 interpretiert wird.
Die Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge birgt vielfältige Voraussetzungen und verlangt umfassende Kenntnisse des Ausländer- und Asylrechts. Das Bundesforum verweist in diesem Zusammenhang zum einen auf die Informationen und Materialien seines Mitglieds, des Bundesverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (B-UMF), die Sie hier finden.
Zum anderen bietet auch das DIJuF, ebenfalls Mitglied im Bundesforum, vielfältige rechtliche Informationen zur Vormundschaft von UMF an. Diese finden Sie im Portal KIJuP-online.