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Familiengerichte

Grundlegende Informationen zur Praxis der Vormundschaft für Richter*innen und Rechtspfleger*innen

Familiengerichte sind zuständig für die Anordnung, Auswahl und Bestellung des Vormunds sowie für die Aufsicht über die Vormundschaft (§§ 1773, 1779, 1837 BGB). 

Inhaltsverzeichnis

  1. Historisch veränderte Anlässe für die Einrichtung einer Vormundschaft 
  2. Wissenswertes zur Führung einer Vormundschaft in der Kinder- und Jugendhilfe
  3. Zur Beteiligung des Kindes bei Auswahl und Bestellung des Vormunds  
  4. Berücksichtigung ehrenamtlicher, Vereins- und beruflicher Vormund*innen bei Auswahl und Bestellung 
  5. Keine Anordnung von Vormundschaft, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei den Eltern behalten soll!
  6. Umsetzbarkeit der „geteilten Sorge“ bei Ergänzungspflegschaft?
  7. Kontaktpflichten des Vormunds nach § 1793 Abs. 1a BGB  (§ 1791 Abs. 3 BGB-E) 
  8. Aufgaben der Rechtspflege bei der Aufsicht über die Vormundschaft. 
  9. Entlassung eines Vormunds, insbesondere beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Jugendamts 
  10. Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge –

1. Historisch veränderte Anlässe für die Einrichtung von Vormundschaften

In der weiter zurückliegenden Vergangenheit war der Hauptanwendungsfall für die Bestellung eines Vormunds der Tod der Eltern. Nach dem Tod der Eltern spielten u.a. Fragen der Verwaltung des ererbten Vermögens eine vorrangige Rolle. Davon sind die Vorschriften des BGB noch heute geprägt: Das Benennungsrecht eines Vormunds durch die Eltern für den Todesfall (§ 1778 BGB) und seine Wirkungen, der „mutmaßliche Wille“ der Eltern bei der Auswahl eines nicht benannten Vormunds (§ 1779 BGB) bspw. machen deutlich, dass das Gesetz v.a. den Tod der Eltern bedenkt. Eine große Anzahl von Normen beschäftigt sich mit der Vermögenssorge.

Gegenwärtig werden die allermeisten Vormundschaften (oder Ergänzungspflegschaften) jedoch eingerichtet, weil den Eltern aus Gründen der Gefährdung des Kindes die Sorge (teilweise) entzogen wurde. Die geplante Reform des Vormundschaftsrechts berücksichtigt dies: Die Personensorge wird stärker in den Vordergrund gestellt, die notwendige Kooperation mit Erziehungspersonen der Kinder- und Jugendhilfe adressiert und die Vorschriften zur Vermögenssorge werden in das Betreuungsrecht verschoben, wo sie weitaus häufiger Anwendung finden.

2. Wissenswertes zur Führung von Vormundschaften im System der Kinder- und Jugendhilfe

Kinder und Jugendliche unter Vormundschaft wachsen in aller Regel in einer stationären Einrichtung oder einer Pflegefamilie auf. 

3. Zur Beteiligung des Kindes bei Auswahl und Bestellung des Vormunds

Wille und Situation des Kindes sollen künftig bei der Auswahl des Vormunds durch das Familiengericht vorrangige Berücksichtigung finden (§ 1779 BGB-E) und sind auch bei der Beratung, Unterstützung und Aufsicht des Familiengerichts, sowie ggf. bei der Entlassung eines Vormunds (§§ 1886, 1887, 1889 BGB) beachtlich. Beteiligung an der Auswahl des Vormunds im familiengerichtlichen Verfahren ist jedoch „keine einfache Sache“:

Denn für Kinder und Jugendliche im Sorgerechtsverfahren geht es um ihre Zukunft  – im Vordergrund steht für sie die Frage, ob sie (weiterhin) von ihren Eltern getrennt leben werden. Sehr häufig  verknüpft der/die Familienrichter*in den Entzug der Sorge direkt mit der Anordnung von Vormundschaft und Bestellung eines Vormunds. Das ist sinnvoll wegen anstehendem Besprechungsbedarf und Entscheidungen nach einem Sorgerechtsentzug. Der enge zeitliche Zusammenhang lässt es jedoch zunächst schwierig erscheinen, das Kind zur Auswahl des Vormunds anzuhören („Was denkst du über eine Trennung deiner Eltern und wen willst du als Vormund, falls die Entscheidung für Trennung fällt?“). Im Zuge der geplanten Vormundschaftsreform ist eine „vorläufige Vormundschaft“ als Option vorgesehen (§ 1782 BGB-E), wenn ein*e Vormund*in zügig bestellt werden soll, aber noch nicht ermittelt werden konnte, wer die Vormundschaft am besten übernehmen sollte.

Je nach Entwicklung des Kindes/Jugendlichen ist es jedoch auch denkbar, das Thema im Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB vorsichtig anzusprechen, wenn dem Kind erklärt wird, was ein Sorgerechtsentzug bedeutet und dass dieser nach sich zieht, dass eine andere Person als die Eltern anschließend wichtige Entscheidungen mit dem Kind/Jugendlichen bespricht und trifft. Dem Kind kann erklärt werden, dass es ggf. eine Person geben wird, die an seiner Seite steht und an die es sich bei Problemen wenden kann. Nur so ist es möglich, dass das Kind evtl. auch eine Person aus seinem Umfeld nennt, die es gerne als Vormund hätte. Allerdings sind die betroffenen Kinder und Jugendlichen häufig belastet und haben in vielen Fällen bereits Schädigungen erlitten. Oft haben sie nicht gelernt, eigene Wünsche zu entwickeln, sind erheblichen Loyalitätskonflikten ausgesetzt und haben es daher auch schwer, eine eigene Meinung zu vertreten. 

Bisher liegen keine veröffentlichten Empfehlungen oder Literatur dazu vor, wie der Kindeswille und das Wohl des Kindes konkret bei der Anhörung zur Auswahl des Vormunds, bei der Beratung und Unterstützung und der Aufsicht des Familiengerichts einbezogen werden sollten (s. auch Abschnitt 7). In der Gesprächsführung können Richter*innen und Rechtspfleger*innen sich selbstverständlich teilweise auf die veröffentlichte allgemeine Literatur zur Kindesanhörung stützen (bspw. Carl/Klauß/Karle 2015)

Allerdings sind mit der Gesprächsführung zur Auswahl eines Vormunds auch inhaltliche Fragen verknüpft, die nur in Kooperation von Familiengericht und Jugendamt gelöst werden können: Familienrichter*innen müssen bspw. wissen, welche Möglichkeiten das Jugendamt sieht, einen ehrenamtlichen, beruflichen oder Vereinsvormund zu finden. Auch ist sinnvoll, dass sie darüber informiert sind, wie das Jugendamt im Amt bei der Zuordnung eines Vormunds zu einem bestimmten Kind vorgeht: In welcher Weise werden Mädchen oder Jungen bei der Übertragung der Vormundschaft auf eine Person im Jugendamt einbezogen? Findet bspw. Berücksichtigung, dass ein kleines Kind einen noch jüngeren Vormund bekommt, um nach Möglichkeit Kontinuität zu gewährleisten? 

Hier sind viele Fragen offen, die das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft künftig mit Vormundschaft und Familiengerichten erörtern möchte.

4. Berücksichtigung ehrenamtlicher, Vereins- und beruflicher Vormund*innen bei Auswahl und Bestellung 

Der größte Anteil der Vormundschaften  wird von Jugendämtern geführt. 2018 waren es ca. 81.000 Amtsvormund- und pflegschaften, die nach Schätzungen 70 bis 80 % aller Vormundschaften und Pflegschaften ausmachen. Vereinsvormundschaften spielen in einigen Bundesländern, besonders in Nordrhein-Westfalen und Bayern, eine zahlenmäßig größere Rolle, sind aber in vielen anderen Bundesländern auch in geringerer Anzahl vertreten, eine Übersicht über berufliche Vormundschaften gibt es nicht. Für den Erhalt von Vereins- als auch Berufsvormundschaften als wichtige Möglichkeit neben Amtsvormundschaften ist neben der Finanzierungsgrundlage die Bestellpraxis der Gerichte zentral. Über die Anzahl ehrenamtlicher Vormundschaften ist sehr wenig bekannt. Nach Erfahrungswissen gibt es zahlreiche Vereine und Initiativen, aber auch Jugendämter, die ehrenamtliche Vormundschaften v.a. im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fördern.

Aus Sicht des Bundesforums ist das Zusammenspiel der vier Formen der Vormundschaft ein wichtiger Motor für die Entwicklung von Qualität. Vereine und ihre Träger, aber auch Verbände der Berufsvormünder setzen sich mit vielen Fragen anders auseinander als Behörden und haben in der Vergangenheit wichtige Impulse für die Vormundschaft und ihre Adressat*innen, die Kinder und Jugendlichen geliefert (bspw. Kooperationsempfehlungen des SkF/Caritas, Standards des BVEB). Zudem haben Vereine und Berufsvormund*innen eine gegenüber dem Jugendamt unabhängigere Stellung und sind daher freier darin, Widerspruch einzulegen oder auch eine Leistung vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen. Die (relative) Weisungsfreiheit des Amtsvormunds in der Hierarchie der Behörde soll ihn zwar in seiner Unabhängigkeit stärken, die dienstliche Einbindung in die Behörde und ihre Abläufe bleibt aber bestehen und erschwert in manchen Fällen die unabhängige Interessenwahrnehmung. Ehrenamtliche Vormund*innen haben die weitestgehend unabhängige Stellung, da sie an keinerlei Weisungen oder Finanzierungsträger gebunden sind. Ihr Vorteil ist außerdem darin zu sehen, dass sie idR nur wenige Vormundschaften führen, daher mehr Zeit aufbringen und junge Erwachsene häufig über das 18. Lebensjahr hinaus unterstützen. Alle Formen beruflicher Vormundschaft verfügen demgegenüber über besondere Expertise, Verein und Jugendamt über eine Infrastruktur, die Vernetzung sichert.

Das Familiengericht hat bei gleicher Eignung auch zukünftig einer ehrenamtlichen Person, die zur Verfügung steht, den Vorzug vor allen anderen Formen der Vormundschaft zu geben (§ 1791a Abs. 1 S. 2, § 1791b Abs. 1 HS 1 BGB; § 1780 Abs. 2 S. 1 BGB-E). Allerdings wird in vielen Fällen dem Familiengericht keine ehrenamtliche Person genannt, die geeignet ist, die Vormundschaft zu übernehmen. Einige Jugendämter bemühen sich jedoch um systematische Akquise und Schulung von ehrenamtlichen Vormund*innen. Das Familiengericht hat die Möglichkeit entsprechende Nachfragen an das Jugendamt zu stellen – auch im Rahmen fallübergreifender Kooperation in lokalen Arbeitskreisen.

Dasselbe gilt für Berufs- und Vereinsvormundschaften. Einzelne Jugendämter haben eine Stelle eingerichtet, deren Inhaber*innen die Aufgabe haben für ein Spektrum an möglichen Vormund*innen zu sorgen und dem Familiengericht eine*n geeigneten Vormund*in vorzuschlagen. Gerade wenn zwischen den Eltern des Kindes und dem Jugendamt erhebliche Konflikte bestehen, kann es bspw. sinnvoll sein, einen beruflichen oder eine*n Vereinsvormund*in zu bestellen. Eine Bestellpraxis, die alle Möglichkeiten berücksichtigt und ausschöpft, wird sich in einer fallübergreifenden Kooperation zwischen Jugendamt und Familiengericht am besten erreichen lassen. 

5. Keine Anordung von Vormundschaft, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei den Eltern behalten soll!

Es kommt immer wieder vor, dass Familiengerichte Vormundschaft anordnen und das Kind/Jugendliche*r seinen Lebensmittelpunkt in der Familie behalten soll. Zwei Fallkonstellationen sind häufiger anzutreffen: 

Zum Einen wird von manchen Familienrichter*innen ein Vormund im Eilverfahren bestellt, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, das Familiengericht das Kind jedoch keinem Umgebungswechsel aussetzen will. Das Motiv ist verständlich, der Weg jedoch abzulehnen. Es ist rechtlich nicht zulässig eine*n Vormund*in zu bestellen und gleichzeitig den Aufenthalt des Kindes vorzuschreiben. Denn Vormund*innen führen ihr Amt selbständig (bspw. OLG Brandenburg 19.5.2015 – 10 UF 11/15) und das Familiengericht ist nur in Ausnahmefällen bei konkreten Anzeichen für eine Pflichtwidrigkeit befugt, Vormund*innen Vorgaben zu machen. Wenn eine Pflichtwidrigkeit aber bereits bei der Bestellung eines Vormunds konkret zu vermuten ist, dürfte die entsprechende Person oder das Jugendamt wegen mangelnder Eignung gar nicht bestellt werden. Neben dem Recht spricht aber auch die Praxis gegen dieses Vorgehen: Denn ein*e Vormund*in hat, kaum eine Möglichkeit, eine möglicherweise bestehende Kindeswohlgefährdung in der Familie des Kindes durch Gewalt oder Vernachlässigung abzuwenden. Auch im Eilverfahren ist es Aufgabe des Familiengerichts zu ermitteln, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die eine Trennung des Kindes von seiner Familie notwendig erscheinen lässt. Ist dies nicht der Fall, stellt die Bestellung eines Vormunds eine Verschiebung der Verantwortung auf diesen dar, ohne dass er diese Verantwortung handelnd wahrnehmen könnte.

Zum Anderen ordnen Familiengerichte zuweilen in Fällen hochstrittiger Elternschaft Vormundschaft an, wenn die Kinder ersichtlich unter den Konflikten der Eltern leiden, eine Trennung vom Obhut habenden Elternteil aber fachlich und aus Sicht des Familiengerichts nicht in Frage kommt. Wenn aber schon bisherige Anordnungen des Familiengerichts zum Umgang oder zur Wohlverhaltenspflicht von den Eltern nicht eingehalten werden (konnten), hat ein*e Vormund*in darüber hinaus keine Handhabe, die Konfliktsituation zu verbessern. Vormund*innen sind keine professionellen Trennungsberater*innen und ihre Entscheidungen laufen ins Leere, wenn sie von den Eltern unterlaufen werden können. Die Bestellung eines Vormunds, wenn die Kinder hochstrittiger Eltern von einem Elternteil nicht getrennt werden können, belastet diese*n daher (wie oben) mit einer Verantwortung, die er/sie in der Praxis nicht wahrnehmen kann.

6. Umsetzbarkeit der geteilten Sorge bei Ergänzungspflegschaft?

Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird Eltern häufig nicht die gesamte Sorge entzogen, sondern nur ein Teil davon. Sehr häufig werden Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, gemeinsam entzogen. In diesem typischen Fall bleibt den Eltern bspw. das Umgangsbestimmungsrecht, das Recht schulische Angelegenheiten zu regeln und das Recht bspw. über eine Vereinsmitgliedschaft des Kindes/Jugendlichen zu entscheiden. Sorgebereiche, die den Eltern positiv belassen werden, werden im familiengerichtlichen Beschluss jedoch nicht benannt.

In der Praxis stellt sich die Frage, wie die geteilte Sorge konkret umgesetzt werden kann. Viele Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bemühen sich zwar um Beteiligung der Eltern, aber ob  ein zwischen Elternteilen und Ergänzungspfleger*innen geteiltes Sorgerecht in der Praxis wirklich realisiert wird bzw. werden kann, ist fraglich. Einen Teil der Sorge bei den Eltern zu belassen, erfüllt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit jedoch nur, wenn die entsprechenden Rechte und Pflichten auch wahrnehmbar sind. In der Praxis ist dies nur der Fall, wenn die Rahmenbedingungen sowie Bereitschaft und Fähigkeiten der Beteiligten eine enge Kooperation und Abstimmung ermöglichen. Wenn nicht, führen unterschiedliche Interessen oder Meinungen von Ergänzungspfleger*innen, Erziehungspersonen und Eltern zu Konflikten, die das Kind belasten. Entäuschte Erwartungen der Eltern können aber auch zu deren vollständigen Rückzug führen, was Kinder oder Jugendliche ebenfalls belasten kann.

Die Frage, unter welchen Bedingungen die teilweise Entziehung der Sorge das angemessene Mittel zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung ist und wie die geteilte Sorge bei Ergänzungspflegschaft „gelebt“ werden kann, sollte daher aus Sicht des Bundesforums fachlich und rechtlich vertieft werden. Ein Vorschlag könnte es sein, im Verfahren zu erörtern, welche konkreten Sorge-Kompetenzen den Eltern bei einem Teilentzug der Sorge verbleiben und diese im Beschluss auch festzuhalten. Das Ziel wäre es, für Eltern, Ergänzungspfleger*in und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe Transparenz über die Bedeutung des Beschlusses zu schaffen.

7. Aufgaben der Rechtspflege bei der Aufsicht über die Vormundschaft

Gesetzlich vorgegeben ist, dass das Familiengericht die Vormund*innen berät (§ 1837 Abs. 1 BGB), über die gesamte Tätigkeit des Vormunds die Aufsicht zu führen hat und gegen Pflichtwidrigkeiten einschreiten muss (§ 1837 Abs. 2 BGB). Begrenzt wird die Beratungs- und Aufsichtstätigkeit des Familiengerichts dadurch, dass Vormund*innen ihr Amt selbständig führen. Das Familiengericht hat darf Vormund*innen keine Vorschriften dazu machen, wie sie ihr Amt zu führen haben und welche Entscheidungen sie treffen. Bspw. darf das Familiengericht nicht bei der Bestellung eines Vormunds zugleich den Aufenthaltsort des Kindes vorschreiben, wie es manchmal vorkommt (s. Frage 5). 

Nur im Ausnahmefall pflichtwidrigen Handelns des Vormunds darf und muss das Familiengericht durch Ge- oder Verbote einschreiten. Pflichtwidriges Handeln liegt vor, wenn ein*e Vormund*in gegen die Interessen des ihm/ihr anvertrauten Kindes/Jugendlichen verstößt. Ein solcher Verstoß kann z.B. darin liegen, dass Kinder/Jugendliche nicht ihrem Entwicklungsstand angemessen an Entscheidungen beteiligt werden und/oder ohne nachvollziehbare Gründe Wünsche einer/eines Jugendlichen bspw. hinsichtlich der Schullaufbahn, der Ausbildung oder etwa der Betätigung in einem Verein nicht erfüllt werden. Pflichtwidrig handelt ein*e Vormund*in auch bei Verstoß gegen Gesetze oder gegen gerichtliche Entscheidungen bspw. in Umgangssachen.

Im Normalfall beschränkt sich die familiengerichtliche Aufsicht jedoch auf die Kenntnisname des jährlichen Berichts der Vormund*innen (§ 1840 BGB) sowie Nachfragen und ggf. Hinweise dazu.

Es ist ein Grundproblem familiengerichtlicher Aufsicht, dass die Grenze zwischen rechtlicher Zulässigkeit und fachlicher Angemessenheit der Tätigkeit des Vormunds fließend ist. Für die Rechtspflege sind meist keine definierten Anhaltspunkte dafür vorhanden, welche Vorgehensweisen des Vormunds oder der Vormundin fachlich noch vertretbar sind. Es ist bspw. unklar, welche Mindestanforderungen an Beteiligung des Kindes/Jugendliche zu stellen wären – immer gegeben, dass Vormund*innen um Beteiligung von Kindern und Jugendlichen häufig ringen müssen. Zudem liegen dem Familiengericht neben dem Bericht des Vormunds idR keine Erkenntnisquellen vor, die auf ein möglicherweise pflichtwidriges Handeln des Vormunds hindeuten können. 

Daher ist derzeit eine  Vorschrift in der Diskussion, die den Rechtspfleger*innen jährliche Gespräche mit den jeweiligen Kindern/Jugendlichen aufgibt (§ 1804 BGB-E). Diese Norm hat jedoch schon vielfach Kritik erfahren, u.a. da die betroffenen Kinder- und Jugendlichen in der Regel schon mit mehreren Erziehungspersonen, sozialen Diensten, Vormund und Therapeut*innen „umstellt“ sind und das jährliche Gespräch mit einer weiteren – unbekannten – Person als Belastung angesehen wird. Über eine Qualifizierung der familiengerichtlichen Aufsicht nachzudenken, erscheint jedoch lohnenswert.

8. Kontaktpflichten des Vormunds (§ 1793 Abs. 1a BGB;  § 1791 BGB-E) 

In Bezug auf die Vorschrift des § 1793 Abs. 1a BGB iVm § 1837 Abs. 2 S.2 BGB gibt es bisweilen Unstimmigkeiten zwischen Rechtspflege und Vormundschaft, wenn von der Rechtspflege ohne genaue Betrachtung des Einzelfalls angeordnet wird, die monatliche Kontaktpflicht sei zu erfüllen. Daher soll die Vorschrift hier vollständig zitiert werden: 

„Der Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll den Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen, es sei denn, im Einzelfall sind kürzere oder längere Besuchsabstände oder ein anderer Ort geboten.“ 

Die Formulierung der Vorschrift sah ursprünglich den deutlichen Verweis auf Ausnahmen von der Regel nicht vor, der aber nach Hinweisen aus der Praxis aufgenommen wurde. Hintergrund sind vielfältige Konstellationen, in denen ein monatlicher Kontakt zwischen Vormund und Kind/Jugendlichem nicht angemessen ist: Wenn etwa ein Kind langjährig bei einer Pflegefamilie lebt und sich durch zu häufige Besuche des Vormunds in seinem Familienleben gestört fühlt, wenn eine Jugendliche zwar für vorsichtige Kontaktversuche offen ist, sich durch monatliche Kontakte aber kontrolliert fühlt und in Ablehnung verfällt oder wenn ein Kind in einer Krise der Unterstützung der Vormundin im besonderen Maße und häufiger als monatlich bedarf.

Eine schematische Kontrolle monatlicher Besuche durch die Rechtspflege verbietet sich also, da sie individuellen Situationen nicht gerecht wird. Wohl aber ist die Nachfrage nach entsprechenden Begründungen seiten des/der Vormund*in angemessen.

9. Entlassung eines Vormunds, insbesondere beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Jugendamts für eine Vormundschaft?

Nach § 87c Abs. 3 S. 3 SGB VIII hat das Jugendamt, das zum Vormund bestellt wurde, einen Antrag auf Entlassung zu stellen, sobald das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt wechselt oder – sofern das Jugendamt am tatsächlichen Aufenthaltsort bestellt wurde – das Wohl des Kindes oder Jugendlichen es erfordert. 

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob das Familiengericht nach Stellung eines Antrags auf Entlassung weiterhin an die Regelungen zur sozialrechtliche Zuständigkeit in § 87c Abs. 3 S. 1 SGB VIII gebunden ist und daher das bisher sozialrechtlich zuständig gewesene Jugendamt zu entlassen und das Jugendamt am neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Minderjährigen als nunmehr sozialrechtlich zuständiges Jugendamt bestellen hat. 

Das OLG Schleswig geht von einem generellen Entscheidungsspielraum des Familiengerichts aus (OLG Schleswig 18.2.2016 – 14 UF 12/16, JAmt 2016, 632). Hingegen meint das OLG Celle, dass ein Abweichen von den sozialrechtlichen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit auch aus Gründen des Kindeswohls nicht zulässig ist (OLG Celle 5.3.2018 – 17 UF 16/18, JAmt 2018, 216). Das OLG Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 22.12.2016 (5 WF 191/16, JAmt 2017, 136) und der vom 16.6.2016 (5 WF 48/16, JAmt 2016, 633) und das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 30.1.2019 – II-3 WF 124/18, ZKJ 2020, 329) betonen ebenfalls die grundsätzlich strikte Bindung an die sozialrechtlichen Regelungen zur Zuständigkeit, von denen im Ausnahmefall aus Gründen des Kindeswohls abgewichen werden könne. In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass von vornherein keine Bindung an die Regelungen im SGB VIII besteht, sondern sich das Familiengericht allein an den §§ 1887, 1889 BGB und damit am Kindeswohl zu orientieren hat (etwa Staudinger/Veit BGB § 1889 Rn. 15 und FK-SGB VIII/Eschelbach, 8. Aufl. 2019, SGB VIII § 88a Rn. 7, jeweils mwN). Andere gehen – jedenfalls im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit für UMA – von einer strikten Bindung aus (so etwa Wiesner/Loos SGB VIII, 5. Aufl. 2015, SGB VIII § 87c Rn. 15 und LPK-SGB VIII/Kepert, 7. Aufl. 2018, SGB VIII § 88a Rn. 6, jeweils mwN).

Im Ergebnis ist zwischen einer Vormundschaft, für die das Jugendamt nach § 87c Abs. 3 S. 1 SGB VIII zuständig ist, und einer, für die es nach § 88a SGB VIII zuständig ist (UMA) zu differenzieren: Da sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung in § 88a Abs. 4 SGB VIII bewusst für eine statische Zuständigkeit entschieden hat, ist in diesem Kontext des § 88a Abs. 4 SGB VIII von einer strikten Bindung an die sozialrechtlichen Regelungen zur Zuständigkeit auszugehen. Bezogen auf die Regelung in § 87c Abs. 3 S. 1 SGB VIII ist das Jugendamt, in dem sich der Minderjährige vor dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts aufgehalten hat, jedoch weiterhin als sozialrechtlich zuständig anzusehen, wenn seine Entlassung dem Kindeswohl widersprechen würde (s. ausführlicher: DIJuF-Rechtsgutachten JAmt Heft 2/2020).  

10. Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Die Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge birgt vielfältige  Voraussetzungen und verlangt umfassende Kenntnisse des Ausländer- und Asylrechts. Das Bundesforum verweist in diesem Zusammenhang zum einen auf die Informationen und Materialien seines Mitglieds, des Bundesverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), die Sie hier finden.

Zum anderen bietet auch das DIJuF, ebenfalls Mitglied im Bundesforum, vielfältige rechtliche Informationen zur Vormundschaft von UMF an. Diese finden Sie im Portal KIJuP-online.


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