Icon Pfeil Icon Suche Zum Inhalt springen

Fachkräfte Soziale Dienste

Grundlegende Informationen zur Vormundschaft und Kooperation zwischen Vormundschaft und Sozialen Diensten

Inhaltsverzeichnis

  1. Vormund*in:  Umfassend und persönlich zuständig für das Kind
  2. Vormund*in: Begleiter*in des Kindes und Kooperationspartner*in  im Hilfesystem
  3. Das Zusammenspiel von Vormund*innen und sozialen Diensten (ASD)
  4. Zu Schnittpunkten und Konfliktpotenzial  zwischen Vormund*in und ASD
  5. Das Zusammenspiel zwischen Vormund*in und Pflegekinderdienst
  6. Zu Konfliktpotenzialen zwischen Pflegekinderdienst und Vormund*in
  7. Kontakt zum Kind als Pflicht des Vormunds/der Vormundin 
  8. Beteiligung als zentrale Aufgabe in der Vormundschaft
  9. Besonderheiten bei Ergänzungspflegschaften
  10. Keine Vormundschaft, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei den Eltern behalten soll!

1. Vormund*in: Umfassend und persönlich zuständig für das Kind 

Ein*e Vormund*in wird für ein bestimmtes Kind oder eine*n Jugendliche*n bestellt und ist für dieses verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein Vormund im Jugendamt 20, 30 oder 50 Vormundschaften führt. Der/ Vormund*in ist persönlich verantwortlich dafür, dass Pflege und Erziehung  dieses Kindes oder Jugendlichen sichergestellt sind und gefördert werden (§ 1800 BGB). Diese Verantwortung ist der elterlichen Verantwortung nachgebildet. Sie ist umfassend und betrifft prinzipiell alle Fragen im Leben des Kindes oder Jugendlichen.

Im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe ist die Vormundin oder der Vormund die einzige Fachkraft, deren Tätigkeit in dieser Weise personengebunden ist. Andere Fachkräfte im Jugendamt und der Hilfen zur Erziehung sind nicht primär für Personen zuständig, sondern für Aufgabenbereiche, bspw. für die Hilfeplanung, Trennungs- und Scheidungsberatung, Unterhaltsrealisierung, Akquise von Pflegefamilien oder etwa für Leitungs- oder Betreuungsaufgaben in der Einrichtung. Für eine Person oder eine Familie sind daher  je nach Anliegen  unterschiedliche Fachkräfte zuständig. Auch der oder die Vormund*in erledigt selbstverständlich nicht alles selbst – prinzipiell ist er/sie aber Ansprechpartner*in und Entscheider*in in allen Lebensbereichen des Kindes oder Jugendlichen.

2. Vormund*in:  Begleiter*in des Kindes und Kooperationspartner*in im Hilfesystem

In der umfassenden persönlichen Verantwortung der Vormund*innen liegen Herausforderungen, aber auch eine große Chance zum Beziehungsaufbau und zur Förderung der Entwicklung der Kinder.

Die Vormundin oder der Vormund steht dabei zum einen an der Seite des ihm anvertrauten Kindes und begleitet es kontinuierlich. Dabei spielen Fragen der Beteiligung, des Beziehungsaufbaus, der Beratung und Unterstützung oft eine größere Rolle als punktuelle Entscheidungen. 

Zum anderen ist der/die Vormund*in Partner*in in einem komplexen Hilfesystem, in dem Fachkräfte der sozialen Dienste, der Hilfen zur Erziehung, aber auch Eltern und Pflegeeltern eine wichtige Rolle spielen. Der/die Vormund*in vermittelt seine Sichtweise auf  Bedarfe und Bedürfnisse, Wünsche und Kritik des Kindes/Jugendlichen an die anderen Beteiligten. Gemeinsam mit ihnen sucht er die Perspektive des Kindes/Jugendlichen in Einklang zu bringen mit den Sichtweisen, Möglichkeiten und Grenzen der anderen Beteiligten und mit den Rahmenbedingungen. 

Das ist nicht immer einfach und stellt sich oft als längerer Prozess dar. Oft heißt es, der Ort dafür ist das Hilfeplangespräch. Das ist richtig, jedoch müssen im Hilfeplangespräch in relativ kurzer Zeit gemeinsame Wege und Lösungen „festgeklopft“ werden. Das kann nur bei entsprechender Kommunikation und Kooperation im Vorfeld und bei der Vorbereitung gelingen. Und auch bei der Umsetzung der Vereinbarungen des Hilfeplanes gilt es immer wieder, das Kind oder die/den Jugendliche*n in den Blick zu nehmen und die Zusammenarbeit auf dessen Perspektive und Anliegen abzustimmen. Hier ist der/die Vormund*in wichtiger Kooperationspartner*in.

3. Das Zusammenspiel von Vormund*innen und sozialen Diensten (ASD)

Vormund*innen und Fachkräfte des ASD haben in ihren Tätigkeitsbereichen Berührungspunkte v.a. im Hinblick auf die Hilfeplanung. Grundsätzlich orientiert sich das Zusammenspiel zwischen ihnen an den jeweiligen Rollen, die sich aus den ihnen zugewiesenen Funktionen ergeben: 

Die Fachkraft des ASD repräsentiert die leistungsgewährende Behörde „Jugendamt“ und nimmt alle ihr im Amt zugewiesenen Funktionen war, wie bspw. die Koordination der Hilfeplanung sowie Beratungs- und Unterstützungsaufgaben. 

Dem Vormund oder der Vormundin sind demgegenüber elterliche Funktionen zugewiesen: Er/sie unterstützt und vertritt das Kind bzw. die/den Jugendliche*n.  Vormund*innen nehmen in der Hilfeplanung die Seite der Antragsteller*innen wahr und haben das Wunsch- und Wahlrecht inne. Die Festlegungen des Hilfeplans werden von Vormund*innen und sozialen Diensten ausgehandelt. Selbstverständlich gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen und ggf. auch den Eltern. 

Ganz konkret: Der/die Vormund*in bespricht sich mit dem Kind/Jugendlichen und bereitet das Hilfeplangespräch mit ihm vor. Geht es bspw. um den Wechsel des Lebensmittelpunktes bespricht er/sie mit dem Kind dessen Anliegen. Nach Möglichkeit im Einvernehmen mit dem Kind/Jugendlichen (§ 1800 iVm § 1626 Abs. 2) stellt der/die Vormund*in entsprechende Anträge im Hilfeplan, bspw. auf Unterbringung in einer Pflegefamilie. 

Die Fachkraft des ASD berät den/die Vormund*in im Hinblick auf die Hilfe (§ 36 Abs. 1 SGB VIII) und stellt fest, ob die beantragte Hilfe (oder eine andere Hilfe)  notwendig und geeignet ist. Sie entscheidet – im Zusammenwirken mit Kolleg*innen (§ 36 Abs. 2 SGB VIII) – über die Gewährung der Leistung. Bei der Auswahl des Hilfeträgers oder der Pflegefamilie muss der ASD das Wunsch- und Wahlrecht des Vormunds beachten. Der Vormund ist berechtigt, z.B. die Einrichtung, in der das Kind leben soll, auszusuchen – außer wenn unverhältnismäßige Mehrkosten anfallen (§ 5 SGB VIII).

Vormund*innen sind auch befugt, gegen Entscheidungen des ASD Widerspruch einzulegen oder Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben, wenn eine Einigung, die den Interessen des Kindes gerecht wird, nicht möglich ist. Das kommt im Falle von Amtsvormund*innen allerdings häufiger vor, wenn ein anderes und nicht das eigene Jugendamt örtlich zuständig ist.

4. Zu Schnittpunkten und Konfliktpotenzial zwischen ASD und Vormund*in

Auch wenn die Rollen, die das Gesetz bzw. die Behördenorganisation dem Vormund und dem ASD zuweist, in der Theorie klar beschrieben sind (s. Punkt 3), gibt es Überschneidungsbereiche. So soll nicht nur der/die Vormund*in sondern auch die Fachkraft des ASD das Kind oder die/den Jugendliche*n beteiligen. Und auch das Kind oder die/der Jugendliche selbst hat ein Wörtchen dabei mitzureden, welcher Person sie oder er sich mit seinen Anliegen und Wünschen öffnet. Wenn etwa der ASD zuständig ist für die Arbeit mit den Eltern, kann es dennoch vorkommen, dass eine Vormundin im Interesse des Kindes näheren Kontakt zu dessen Eltern sucht, vielleicht um über die Eltern-Kind-Kontakte (Umgang) zu sprechen. 

Solche Überschneidungen erfordern – über die Festlegung von Zuständigkeiten hinaus -Kommunikation und eine entsprechend situationsgerechte und manchmal flexible Kooperation. Wenn ein Kind sich wünscht, von der Vormundin bei Elternbesuchen begleitet zu werden oder wenn eine Jugendliche den langjährigen ASD-Mitarbeiter als Vertrauensperson ansieht, kann es sinnvoll sein, flexible Lösungen zu finden – immer in Absprache mit den Kolleg*innen des anderen Dienstes. 

Auch unterschiedliche Auffassungen darüber, was im Interesse des Kindes zu tun ist, welche Hilfe die richtige ist oder etwa ob ein Kind in seiner Pflegefamilie nicht mehr gut aufgehoben ist und daher ein Wechsel ansteht, stellen eine Herausforderung an Kommunikation und Kooperation dar. Wie damit umgehen, wenn der Vormund in einer krisenhaften Situation zur Auffassung gelangt ist, „sein“ Kind solle dennoch – mit zusätzlicher Unterstützung – in einer Pflegefamilie bleiben, die Mitarbeiterin des ASD, die die Hilfe steuert und die Fachkraft des PKD aber einen Wechsel für notwendig halten (oder umgekehrt). Es macht einen großen Unterschied, ob unterschiedliche Sichtweisen als Bereicherung für den fachlichen Prozess wahrgenommen werden können. Wenn die Bereitschaft vorherrscht, die Sichtweise des Gegenübers unvoreingenommen zu betrachten, sowohl die eine als auch die andere Auffassung kritisch zu hinterfragen, besteht die Chance, eine vollständigere Sicht auf das Kind und seine Situation zu bekommen. Dann können Entscheidungen auf verbesserter fachlicher Grundlage getroffen werden.

Das kann allerdings nur gelingen, wenn entsprechende „Räume“ für die Kommunikation und Kooperation zwischen den Diensten zur Verfügung stehen. Dabei geht es im wörtlichen Sinne um Räume für ungestörte Gespräche, aber auch um andere Ressourcen wie gemeinsame Fallbesprechungen, Supervision oder Fachtage mit dem anderen Dienst und die dafür notwendige Zeit.

Schließlich kann es auch zu Unklarheiten, Irrtümern oder Missverständnissen hinsichtlich der Aufgaben und Befugnisse zwischen den Diensten kommen. Ein nicht seltener Irrtum ist es bspw., dass Vormund*innen nur ganz allgemein Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff SGB VIII stellen dürfen, weil die Fachkraft des ASD dafür zuständig ist, die notwendige und geeignete Hilfe festzustellen. Nein: Vormund*innen können genau die Hilfe zur Erziehung beantragen, die in ihren Augen die angemessene Hilfe für das Kind oder die/den Jugendliche*n ist. Das kann eine Hilfe aus dem Katalog der Hilfen nach §§ 28 bis 35a SGB VIII sein, es kann eine Kombination aus mehreren Hilfen sein oder es kann eine nicht beschriebene Hilfe sein, denn der Hilfekatalog der §§ 27ff ist offen für individuell notwendige Hilfen. Die Fachkräfte des ASD bleiben dennoch zuständig für die Feststellung der Eignung und Notwendigkeit der Hilfe und können die vom Vormund oder der Vormundin beantragte Hilfe ggf. ablehnen. In den allermeisten Fällen werden unterschiedliche Auffassungen im Gespräch geklärt werden können. Ist das nicht der Fall, steht es dem/der Vormund*in offen, in Widerspruch zu gehen und/oder Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Diese Möglichkeit nehmen Vormund*innen gegenüber einem anderen Jugendamt allerdings häufiger wahr als gegenüber dem eigenen Jugendamt.

5. Das Zusammenspiel zwischen Pflegekinderdienst und Vormund*in

Die Rollen von Vormund*in und PKD stehen sich nicht so klar definiert gegenüber wie das bei Vormund*in und ASD der Fall ist (s. Punkt 3). Grundsätzlich ist der Pflegekinderdienst  idR zuständig für die Beratung der Pflegeeltern, in vielen Fällen auch für die Akquise von Pflegefamilien und deren Vorbereitung und Schulung. Der Vormund hat die Pflicht, regelmäßig Kontakt zum Kind zu halten,  es in allen Angelegenheiten zu beteiligen, Entscheidungen zu fällen und das Kind zu vertreten. 

Da das vormundschaftliche Handeln nicht nur das Kind oder die/den Jugendlichen betrifft, sondern meist in seinen Auswirkungen auch das Familienleben der Pflegefamilie beeinflusst, entstehen vielfältige Schnittpunkte zur Tätigkeit des Pflegekinderdienstes.

Das beginnt bereits bei der Vorbereitung und Schulung der Pflegeeltern, bei der  Rolle und Funktion des Vormunds erläutert werden müssen. Wichtig ist es auch, zu reflektieren, was die regelmäßigen Kontakte des Vormunds zum Kind und die Entscheidungen des Vormunds für die Pflegeeltern bedeuten.

Ein weiterer Schnittpunkt ist die Auswahl der Pflegefamilie für ein bestimmtes Kind und die Frage, wie Pflegekinderdienst und Vormund dabei kooperieren. Das Wunsch- und Wahlrecht der Vormund*innen muss  jedenfalls berücksichtigt werden. 

Auch die Kontaktpflichten des Vormunds betreffen die Pflegeeltern unmittelbar in ihrem Alltag. Vormund*innen sind gesetzlich verpflichtet, das ihnen anvertraute Kind/Jugendlichen zu sehen, idR monatlich in der häuslichen Umgebung (§ 1793 Abs. 1a BGB). Für die Pflegeeltern treten neben die Kontakte mit dem PKD zusätzliche Termine in der eigenen familiären Sphäre. Das kann als Belastung empfunden werden, so dass gute Absprachen erforderlich sind, – insbesondere bei mehreren Pflegekindern, die ggf. verschiedene Vormund*innen haben.

Und schließlich werden viele vormundschaftliche Entscheidungen für die Pflegeeltern und damit auch für die Beratungstätigkeit des PKD relevant: Ob es um ergänzende Hilfen für das Kind, um die Beantragung eines Pflegegrades oder einen Schwerbehindertenausweis für ein Kind mit Behinderung, ob es um Entscheidungen über Kontakte zu den Eltern oder darum geht, die Zustimmung zu einer Operation zu erteilen – immer ist der Alltag der Pflegefamilie betroffen. 

6. Zu Konfliktpotenzialen zwischen Pflegekinderdienst und Vormund*in

Konfliktpotenzial ist zum einen gegeben, wenn die Fachkräfte des PKD Belastungen der Pflegeeltern im Zusammenhang mit vormundschaftlichem Handeln wahrnehmen, zum anderen auch bei unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Schritte im Interesse des Kindes sind.

Belastungen der Pflegeeltern können darin liegen, dass sie die Besuche des Vormunds als zu häufig empfinden, besonders wenn sie sich verpflichtet fühlen, den eigenen Alltagsablauf zu unterbrechen oder den Vormund sogar zu bewirten. Pflegeeltern fühlen sich zuweilen aber auch dadurch belastet, dass sie nicht sicher sind, welche Befugnisse der/die Vormund*in hat. Darf er unangemeldet kommen? Darf er verlangen, mit dem Kind allein gelassen zu werden? Muss ihm das Kinderzimmer gezeigt und zum Spielen mit dem Kind überlassen werden? Werden solche Fragen nicht geklärt, kann Unzufriedenheit schwelen und ein Konfliktpotenzial sich auch zwischen den Fachkräften entfalten. 

Konfliktpotenzial ist auch gegeben, wenn Entscheidungen einer Vormundin in deutlichem Gegensatz zur Überzeugung der Pflegeeltern stehen: Wenn bspw. die Pflegeeltern überzeugt sind, dass auf eine Medikation des Kindes verzichtet werden soll, die Vormundin jedoch darauf besteht. Auch wenn Entscheidungen des Vormunds direkt in den Alltag der Familie eingreifen, kann darin Konfliktpotenzial liegen, z.B. wenn ein Vormund sich gegen einen Auslandsurlaub ausspricht oder versäumt einen Pass zu beantragen.

Bei der Diskussion des geplanten neuen Vormundschaftsrechts war das Miteinander von Pflegeeltern als verantwortliche Erziehungspersonen im Alltag und Vormund*innen als Entscheider*innen und Begleiter*innen des Lebenswegs des Kindes/Jugendlichen besonders im Blick. Im neuen Vormundschaftsrecht wird daher vorgeschrieben, dass Vormund*innen bei ihren Entscheidungen die Auswirkungen auf den Alltag der Pflegefamilie einbeziehen müssen und die Auffassung der Pflegeeltern berücksichtigen sollen (§ 1797 Abs. 1 BGB-E). 

Es ist anzunehmen, dass diese Vorschrift zu verstärktem Kommunikationsbedarf zwischen Vormund*innen und Pflegeeltern führen wird. Pflegekinderdienste und Vormund*innen sollten sich daher mit der Frage befassen, ob die neuen Vorschriften zu Unklarheiten bei der Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche führen und nach entsprechenden Lösungen suchen. 

Unklare Zuständigkeiten einerseits, das unflexible Bestehen auf Zuständigkeiten andererseits beinhalten jedenfalls Konfliktpotenzial: In welchem Verhältnis steht etwa die Beteiligung des Kindes durch den Vormund einerseits, durch die Fachkraft des PKD andererseits? Muss der Vormund ‚gefühlt‘ Aufgaben des PKD mit übernehmen, weil die Fachkräfte keine Zeit für Besuche der Pflegefamilien haben? Bedeuten Gespräche zwischen Vormund und Pflegeeltern, dass er sich in deren Beratung einmischt?

Um solche Fragen so zu klären, dass eine verlässliche Kooperation entsteht, die auch dem einzelnen Kind und der Situation Rechnung trägt, braucht es „Räume“: Es ist sinnvoll eine Kooperationsvereinbarung auszuhandeln, von der bei Bedarf – im Einvernehmen –  abgewichen wird. Dazu braucht es Ressourcen:  Zeit, Platz für Gespräche und Verfahren für regelmäßigen Austausch und die Bearbeitung von Konflikten.

7. Kontakt zum Kind als Pflicht des Vormunds/der Vormundin

Vormund*innen sind verpflichtet, mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen regelmäßig Kontakt zu halten (§ 1793 Abs. 1a BGB iVm § 1837 Abs. 2 S.2 BGB; § 1791 Abs. 3 BGB-E). Die persönlichen Kontakte sollen gewährleisten, dass Vormund*innen ihre Entscheidungen auf den eigenen Einblick in die Lebensverhältnisse des Kindes/Jugendlichen stützen können. Außerdem geben sie Gelegenheit zur Beteiligung der Kinder/Jugendlichen (s. auch Punkt 8).

Vor Einführung des § 1793 Abs. 1a BGB hatte es viele fachliche Hinweise darauf gegeben, dass eine starre monatliche Kontaktregelung weder der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen noch der Arbeitssituation der Vormund*innen gerecht würde. Daher wurden Ausnahmen vorgesehen: Seltenere als monatliche Kontakte können angemessen sein, wenn ein Kind langjährig bei einer Pflegefamilie lebt und sich durch zu häufige Besuche des Vormunds in seinem Familienleben gestört fühlt oder wenn eine Jugendliche zwar für vorsichtige Kontaktversuche offen ist, sich durch monatliche Kontakte aber kontrolliert fühlt und in Ablehnung verfällt. In einer Krise sind dagegen ggf. häufigere als monatliche Kontakte nötig. Die Belastung der Pflegeeltern durch zu viele Besuche bei ihnen zu Hause kann begründen, dass Kontakte nicht im häuslichen Umfeld stattfinden. 

Im Zentrum steht, dass der/die Vormund*in sicherstellt, dass wichtige Ereignisse nicht an ihm vorübergehen und er/sie die Entwicklung des Kindes/Jugendlichem zuverlässig im Blick behalten kann. S. dazu auch: Katzenstein, Vormund/in in Kontakt zum Kind zwischen Einzelfallorientierung und „Regelfall“, JAmt 2013, 234-238. 

8. Beteiligung als zentrale Aufgabe in der Vormundschaft

Vormund*innen und Pfleger*innen sind verpflichtet, mit den ihnen anvertrauten Kindern Kontakt zu halten und sie bei ihren Entscheidungen zu beteiligen. Es ist § 1626 Abs. 2 BGB aus dem Kindschaftsrecht  iVm § 1793 Abs. 1 BGB auch auf die Vormundschaft anwendbar:

„Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an“ (§ 1626 Abs. 2 BGB).

Im neuen Vormundschaftsrecht wird die Bedeutung der Beteiligung der Kinder und Jugendlichen weiter in den Vordergrundgestellt: So soll künftig der Wille des Kindes schon bei der Auswahl des Vormunds an erster Stelle der beachtlichen Aspekte stehen (§ 1779 Abs. 2 Nr.1 BGB-E) und Kindern und Jugendlichen wird gegenüber dem Vormund das explizite Recht auf persönlichen Kontakt, Achtung ihres Willens und Beteiligung an Angelegenheiten, von denen das Kind/die/der Jugendliche betroffen ist, zugesprochen (§ 1789 Nr. 3-5 BGB-E). Die Beteiligung soll – wie in § 1626 BGB heute schon vorgegeben, den Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen berücksichtigen.

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Beteiligung stellen sich den Vormund*innen allerdings vielfache Fragen: 

Gerade das Spannungsfeld zwischen Verantwortlichkeit des Erwachsenen und (Förderung) der Autonomie des Kindes ist für Vormund*innen im beruflichen Alltag immer wieder konkret bedeutsam: Bspw. wenn einer Jugendlichen angeboten wird, als Modell zu posieren, wenn es darum geht, inwieweit das Kind bei Behandlungsentscheidungen beteiligt wird oder wenn z.B. ein Wechsel des Lebensmittelpunktes eines kleinen Kindes ansteht.

Und schließlich ist zu beachten, dass letztlich Entscheidungen nicht nur zwischen Vormund*in und Kind gefällt werden, sondern in der Kooperation mit weiteren Beteiligten, v.a. auch den sozialen Diensten zustande kommen. Vormund*innen müssen sich also zugleich an der Seite des Kindes und in der Kooperation verorten – dabei können neue Gesichtspunkte deutlich werden, neue Fakten berichtet werden und Sichtweisen des Vormunds, aber auch des Kindes oder Jugendlichen sich verändern. Die Beteiligung des Kindes/Jugendlichen ist also auch in den Kooperationsprozess eingebettet. 

9. Besonderheiten bei Ergänzungspflegschaften

In etwa der Hälfte der Fälle, in denen ein Familiengericht einen Sorgerechtsentzug beschließt, wird die Sorge nicht vollständig, sondern nur in Teilen entzogen. Am häufigsten werden das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht, Hilfen zu Erziehung beantragen, gemeinsam entzogen.

Im Fall solcher Teilrechtsentzüge wird nicht ein*e Vormund*in, sondern ein*e Ergänzungspfleger*in bestellt. Drei grundsätzliche Aspekte dazu, die die Hilfeplanung betreffen:

10. Keine Vormundschaft, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei den Eltern behalten soll!

Es kommt immer wieder vor, dass Familiengerichte Vormundschaft anordnen und das Kind/Jugendliche*r seinen Lebensmittelpunkt in der Familie behalten soll. In einigen Fällen wird eine solche Regelung auch vom ASD angeregt. Daher soll darauf hingewiesen werden, dass es in den allermeisten Fällen nicht angezeigt ist, eine*n Vormund*in zu bestellen, wenn das Kind (zunächst) in seiner Familie bleiben soll.

Die Bestellung eines Vormunds belastet diesen in beiden Fällen mit einer Verantwortung, die er oder sie in der Praxis nicht wahrnehmen kann. Zur Frage, was getan werden kann s. Informationen zur Vormunschaft für Vormund*innen, Punkt 7.


Interesse am Bundesforum?

Aktuelles per E-Mail