Im Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft e. V. wird eine lebhafte Diskussion dazu geführt, wie Vormund:innen den Übergang in die Volljährigkeit vorbereiten, mitgestalten und eventuell auch begleiten könnten. Im Folgenden finden Sie Hinweise und Materialien, die Vormund:innen dabei unterstützen können, junge Menschen auf die Zeit nach dem 18. Geburtstag vorzubereiten.
Vom 26. – 28. August 2022 führte das Bundesforum in Kooperation mit dem Careleaver e.V. und der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen in Hamburg einen Workshop zum Übergang in die Selbstständigkeit durch. Dabei kamen junge Menschen mit Vormund:innen dazu ins Gespräch, wie die Fachkräfte den Weg gut vorbereiten und begleiten können. Aus dem Workshop entstanden neben einem Bericht auch Praxishinweise zu vier zentralen Themen, die in Kleingruppen nach dem Workshop ausgearbeitet wurden:
Im Pflegeelternrundbrief II/2019 des Stadtjugendamtes München berichten Pflegekinder und ihre Pflegeeltern von der Zeit hin zur Volljährigkeit und wie sich der Übergang ins Erwachsenenleben gestaltete. Sie haben aufgeschrieben, wie sie die Zeit des Übergangs erlebt haben und was in schweren Zeiten unterstützend für sie war. Diese können von Fachkräften genutzt werden, um die eigene Praxis zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
Wer sich intensiver mit der Materie beschäftigen möchte, dem empfehlen wir die qualitative Studie von Carolin Ehlke (2020): Care Leaver aus Pflegefamilien. Die Bewältigung des Übergangs aus der Vollzeitpflege in ein eigenverantwortliches Leben aus Sicht der jungen Menschen. Die qualitative Studie gibt einen Einblick in das Bewältigungshandeln von Care Leavern aus Pflegefamilien und in die von ihnen erfahrene soziale Unterstützung während des Übergangs in ein eigenverantwortliches Leben. Es wurden sieben junge Menschen interviewt, die retrospektiv auf ihren Leaving-Care-Prozess blicken und beschreiben, wie sie diesen bewältigt und welche soziale Unterstützung sie dabei erfahren haben.
Der Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht (BuMF) hat sich intensiv mit dem Übergang von jungen Geflüchteten beschäftigt und eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten entwickelt:
Der Careleaver Verein hat für viele junge Menschen, die in der Kinder- und Jugendhilfe aufgewachsen sind, eine ganz wichtige Funktion: Er organisiert die jungen Menschen, bietet ihnen Erfahrungsaustausch und die Möglichkeit selbst aktiv zu werden. Die Angebote können ab dem 16. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Dazu gehören u.a.:
Träger wie JaKuS gGmbH in Berlin oder das Jugendamt Stuttgart bieten jungen Menschen am Übergang in die Selbstständigkeit sogenannte Wohnführerschein-Kurse an, um sie auf das Leben in den eigenen vier Wänden vorzubereiten. Sie erhalten Informationen zum Mietrecht und Fachbegriffen im Mietrecht. Sie lernen, worauf sie bei einer Besichtigung achten sollten und was ein Mietvertrag beinhalten sollte. Zusätzlich lernen die Teilnehmenden aber auch ganz praktische Dinge wie zum Beispiel den Umgang mit einer Bohrmaschine. Interessierte, die den Kurs selbst anbieten möchten, finden auf der Seite des Wohnführerscheines eine Möglichkeit, sich für sogenannte Multiplikator:innenschulungen anzumelden.
Klückskinder ist eine Organisation, die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei ihrer Perspektivplanung unterstützt und auch über die Jugendhilfe hinaus mithilfe eines Mentorings begleitet. Der Mutmacher-Kalender gehört zu ihren Highlights. Jeden Monat berichtet ein Careleaver im Kalender von seinen Erfahrungen in der Jugendhilfe und seiner Zeit danach. Hierdurch motivieren die Klückskinder junge Menschen aus der Jugendhilfe, ihren Träumen nachzugehen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Der Kalender eignet sich auch gut, um als Vormund:in mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen zu Wünschen und Plänen für die Zukunft. Ideen für die Arbeit mit dem Kalender finden Sie hier.
Die Broschüre von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen und der Universität Hildesheim informiert Careleaver in leichter Sprache insbesondere zu den Themen Schule, Ausbildung, Finanzierung und Wohnen. Zu der Broschüre gibt es auch eine Website, die junge Menschen mit dem Handy besuchen können.
Die App bietet jungen Menschen im Übergang Unterstützung durch Checklisten und eine Community, die auf individuelle Fragen antwortet. Themen sind u.a. die erste eigene Wohnung, Einsamkeit, Schulden, Auslandsjahr und die Entdeckung eigener Talente.
Für Jugendliche und junge Menschen am Übergang in die Volljährigkeit stellen Selbstorganisationen und ehrenamtliches Engagement eine Möglichkeit dar, in die Selbstständigkeit hineinzuwachsen. Sie übernehmen nicht nur Verantwortung, sondern erschließen sich auch Unterstützungsnetzwerke, die im Übergang von besonderer Bedeutung sind. Wir stellen Ihnen hier einige Möglichkeiten dar, die sich direkt an junge Menschen richten, die in der Kinder- und Jugendhilfe aufwachsen oder aufgewachsen sind. Denken Sie aber auch an andere Angebote, die sich an alle jungen Menschen richten. Diese finden Sie beispielsweise über die Ehrenamtssuche.
In den Hilfen zur Erziehung gibt es mittlerweile immer mehr Gremien, in denen sich Jugendliche und junge Volljährige aus Pflegefamilien und Einrichtungen entweder als gewähltes Mitglied oder ganz ohne Zugangsvoraussetzung engagieren können. Es gibt mittlerweile sieben landesweite Interessenvertretungen in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Übergreifend arbeiten die Organisationen im Bundesnetzwerk der Interessenvertretungen in der Kinder- und Jugendhilfe (BUNDI) zusammen. Als Netzwerk im Übergang in die Selbständigkeitist der Careleaver e.V. fest etabliert.
Jugendliche ohne Grenzen ist eine Selbstvertretung von jungen Flüchtlingen, die sich für ihre Interessen, insbesondere für ein Bleiberecht, einsetzen. Hier können sich junge Menschen engagieren, die selbst nach Deutschland gekommen sind und sich für ihre Anliegen stark machen möchten. Zusätzlich finden Sie und die jungen Menschen (jugendgerechte) Informationen auf den Seiten des BuMF.
Zuletzt möchten wir noch hinweisen auf die Diskussionspapiere des Bundesforums zum Thema «Übergänge in die Volljährigkeit». Obwohl die Vormundschaft mit dem 18. Lebensjahr endet, äußern junge Menschen nicht selten weiteren Beratungs- und Unterstützungsbedarf in Gegenwart ihrer Vormund*innen. Unser ehemaliges Mitglied im Fachbeirat Volker Henneicke hat zu diesem Thema ein Impulspapier erstellt, auf das die Vorsitzende des Bundesforums, Henriette Katzenstein, mit einem Diskussionspapier antwortete.
Praxistipps «Übergänge von jungen Volljährigen gestalten» zum Download