Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe mit Psychopharmaka ist ein bisher wenig beleuchtetes Thema. Für die jungen Menschen kann es ein wichtiges Thema sein, das zugleich für alle Beteiligten mit herausfordernden Fragen verbunden ist.
Ruth Seyboldt – wissenschaftliche Referentin beim Bundesforum – hat hierzu die Sicht von Vormund:innen beforscht und anschließend aus dem Vergleich der unterschiedlichen Perspektiven Thesen entwickelt, die den Stand der Praxis in Bezug auf Fragen der Psychopharmaka-Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter Vormundschaft in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe wiedergeben. Deutlich wurde hierbei, dass die Praxis von großen Unsicherheiten und fehlenden systematischen Vorgehensweisen geprägt ist. Um eine kinderrechtsbasierte Gesundheitsversorgung multiprofessionell und –sektional sicherzustellen, bedarf es daher dringend weiterer Auseinandersetzung.
Daran knüpft das Bundesforum in der weiteren Arbeit an und widmet sich gemeinsam mit der Universität Hildesheim von April 2024 bis März 2026 im Rahmen des von der Stiftung Deutsche Jugendmarke geförderten Forschungsprojekts „Verfahren und Verantwortung für die Medikation von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe“ (MEDIJU) weiterhin dem Thema. Dabei werden die Perspektiven aller Beteiligten einbezogen – junge Menschen, Kinder- und Jugendpsychiater:innen, sorgeberechtigte Eltern, Vormund:innen, Betreuer:innen in Einrichtungen und Pflegeeltern – und orientierende Materialien für die Praxis entwickelt.
Das Forschungsprojekt sollte Wissen zur Bedeutung der Herkunftsfamilie und Umgangskontakten für Jugendliche unter Vormundschaft generieren; unterschiedliche Erlebensweisen und -formen sollten identifiziert werden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden Impulse für die Praxis abgeleitet, um Vormund*innen Hinweise an die Hand zu geben, die deren Handlungssicherheit erhöhen können.
Die Untersuchungsergebnisse wurden im Rahmen einer gemeinsamen Fachtagung des Bundesforums, DIJuF, SkF und ISS im Dezember 2021 vorgestellt und diskutiert.
Im April 2022 wurde der Abschlussbericht vorgelegt, der sowohl als Ganzes als auch in Kapiteln zum Download zur Verfügung steht:
1. Zu den Hintergründen und Rahmenbedingungen des Projekts ‚Vormundschaften und Herkunftsfamilie‘
2. Überblick über den Stand der Forschung zum Verhältnis zwischen Vormundschaft, fremduntergebrachten Jugendlichen und ihren Herkunftsfamilien
3. Institutionalisierte Kindheiten – eine theoriegeleitete Perspektive auf Vormundschaften und Herkunftsfamilie
4. Die qualitative Studie ‚Vormundschaften und Herkunftsfamilie‘ – Forschungsdesign und Reflexion des methodischen Vorgehens
5. Aufwachsen in und zwischen Familie und Institutionen: Orientierungen und Praktiken der Kontaktgestaltung
6. Aufwachsen in und zwischen Familie und Institutionen: Jugendhilfe im Spannungsfeld zwischen Institution und Personen
7. Vormundschaften und Herkunftsfamilie: Aufwachsen zwischen Familie und Institutionen. Ein Fazit
Laufzeit des Projektes: April 2020-März 2022
Gefördert von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V., Bonn
Das Bundesforum sichtete im Auftrag des Kompetenzzentrum Kompetenzzentrum Pflegekinderhilfe die Literaturlage und untersuchte, wie die Praxis in den Jugendämtern Vormundschaften durch Pflegeeltern einordnet, welche Potenziale, aber auch welche Grenzen und Probleme gesehen werden, wenn Pflegeeltern die Vormundschaft übernehmen.
Der Forschungsbericht beinhaltet sowohl Expert*innen-Interviews mit Fachleuten aus Pflegekinderdiensten und Vormundschaften als auch eine Online-Befragung der jeweiligen Dienste in Brandenburg und Baden-Württemberg als Länder mit sehr unterschiedlichen Strukturen. Die Untersuchung förderte differenzierte Argumente bezüglich der Übernahme von Vormundschaften durch Pflegeeltern zu Tage. Interessen des Kindes, Arbeitsorganisation und -belastung sowie Machtverschiebungen in der Kooperation sind in den Augen der Praxis relevante Aspekte bei der Beurteilgung der Möglichkeiten und Grenzen von Vormundschaften durch Pflegeeltern.
Autorinnen: Ruth Seyboldt und Henriette Katzenstein (Bundesforum)
Herausgeber: Kompetenzzentrum Pflegekinder
Die Kurzfassung des Forschungsberichts ermöglicht einen schnellen Überblick. Es werden verschiedene „Typen“ der Beziehungsgestaltung zwischen Vormund*innen und jungen Menschen identifiziert. Diese bilden nicht “typische” Charakteristika oder Vorgehensweisen von Vormund*innen ab, sondern von Beziehungen. Ein und der- oder dieselbe Vormund*in kann sich also – je nach jungem Mensch und Dynamik – in verschiedenen Beziehungstypen wieder erkennen.
In der Forschung wird deutlich, dass der oder die Vormund*in für die jungen Menschen häufig eine wichtige Bezugsperson ist. Dennoch hadert ein Teil der Jugendlichen z.B. damit, dass sie überhaupt eine*n Vormund*in brauchen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beteiligung von jungen Menschen. Es zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche teils andere Vorstellungen und Wünsche in Bezug auf Beteiligung haben als die Vormund*innen (wissen).
Den ausführlichen Forschungsbericht finden Sie hier.
Autorinnen: Caroline Mitschke und Sara Dallmann mit der Unterstützung von Judith Dubiski (ISS)
Herausgeber: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS), Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein (SkF), Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) und Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft