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Infobrief Nr. 7 · Juli 2023

Liebe Leser:innen,
der Juli-Infobrief ist der letzte vor der Sommerpause – mit Ausnahme eines Sonderrundbriefs mit Angeboten für Fortbildungen im Herbst diesen Jahres. Danach verabschieden wir uns in die Sommerpause – auch die Koordinierungsstelle schließt vom 31.07. bis 18.08.
Der nächste Infobrief ist für Mitte September geplant. Ihnen allen wünschen wir eine schöne (Urlaubs)Zeit und freuen uns auf den Neustart Ende August!

Inhaltsverzeichnis

  • Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft wird Praxis
  • Online-Seminarreihe „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft“ wird wiederholt
  • „Entscheidend für die Zusammenarbeit ist eine Klärung der unterschiedlichen Erwartungen“ - Interview mit Petra Hiller
  • BAGLJÄ: Neue Arbeits- und Orientierungshilfe für den Bereich der Amtsvormundschaft und –pflegschaft
  • Warendorfer Praxis veröffentlicht „Leitfaden Vormundschaft!“
  • Arbeitsgruppe "Auswahl des am besten geeigneten Vormunds" auf dem Deutschen Familiengerichtstag
  • Bundesverband behinderter Pflegekinder bietet Vermittlungshilfe in Bereitschaftspflege
  • Broschüre des B-umF für junge Geflüchtete ist jetzt auch auf Englisch, Französisch und Dari verfügbar
  • Podcast zur kindgerechten Justiz für Richter:innen und andere an Gerichtsverfahren beteiligten Akteur:innen
  • Aktuelle rechtliche Hinweise
  • Aktuelle Publikationen

Vorrang des ehrenamtlichen Vormunds wird Praxis

Am 14.06.2023 nahmen rund 95 Fachkräfte, überwiegend aus Jugendämtern und einige aus Vereinen, an der Praxistagung unter dem Titel „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft – Neue Kooperationen wagen und gemeinsam Qualität entwickeln“ in Frankfurt teil. Thema war die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Behörden und ehrenamtlicher Vormundschaft, welche zunächst im Vortrag von Dr. Miriam Fritsche, angelehnt an die zuvor erschienene Orientierungshilfe, dargestellt wurde und anschließend Thema intensiver Diskussion in unterschiedlichen Arbeitsgruppen war.
Deutlich wurden hierbei folgende Aspekte:
  • Viele Jugendämter/Vereine sind auf dem Weg neue Strukturen aufzubauen.
  • Es gibt unterschiedliche Ansätze zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben: Häufig bauen Jugendämter „Koordinierungsstellen“ zur Akquise, Schulung und Beratung Ehernamtlicher auf, andere erweitern bestehende Arbeitsstrukturen und –prozesse.
  • Es besteht ein hoher Bedarf an Austausch über Umsetzungsideen und erste Erfahrungen dabei.
Die Präsentation von Dr. Miriam Fritsche (s. oben) gibt eine strukturierte Einführung ins Thema.

Online-Seminarreihe „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft“ wird wiederholt

Anknüpfend an die oben beschriebene Praxistagung wird die dreiteilige Online-Seminarreihe „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft“ mit Dr. Miriam Fritsche erneut angeboten. In Anlehnung an die gleichnamige Orientierungshilfe werden in drei Modulen verschiedene Aspekte rund um die Zusammenarbeit des Jugendamts mit ehrenamtlichen Vormund:innen thematisiert.
Die einzelnen Module finden jeweils von 9:30 bis 12:00 Uhr statt:

Dienstag, 26.09.2023:
Einführung sowie Akquise und Eignungsüberprüfung interessierter Ehrenamtlicher

Donnerstag, 05.10.2023:
Schulung Ehrenamtlicher, Matching und Erstellen eines begründeten Vorschlags

Donnerstag, 12.10.2023:
Beratung, Unterstützung und Beaufsichtigung ehrenamtlicher Vormund:innen sowie Möglichkeiten der Umsetzung

Die drei Module werden zur gemeinsamen Buchung angeboten. Kosten: 350 Euro, 300 Euro für Mitglieder des Bundesforums. Die Buchung eines einzelnen Moduls ist nicht möglich.
Hier finden Sie die Online-Anmeldung.

„Entscheidend für die Zusammenarbeit ist eine Klärung der unterschiedlichen Erwartungen“ - Interview mit Petra Hiller

Petra Hiller ist Diplom-Sozialpädagogin und -Sozialwirtin, ausgebildete Supervisorin und systemische Familienberaterin. Sie leitete über 31 Jahre hinweg die Stiftung Overdyck und gestaltete mehrere Umstrukturierungen, bei denen sowohl stationäre Angebote für Kinder und Jugendliche als auch niedrigschwellige Unterstützung für Eltern und Kinder in Familien entwickelt wurden. In Modellprojekten arbeitete die Einrichtung mit Familien, dem Jugendamt und Vormund:innen konstruktiv zusammen und etablierte u.a. frühzeitig Angebote für minderjährige Geflüchtete. Partizipation und Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen hatten für Petra Hiller stets eine hohe Relevanz.

Bundesforum: Liebe Frau Hiller, wie haben Sie die Zusammenarbeit von Fachkräften und Vormund:innen aus Ihrer Leitungsposition heraus wahrgenommen? Hiller: Aus meiner Sicht ist für die Zusammenarbeit entscheidend, wie klar die Erwartungen der Mitarbeitenden unserer Einrichtung und der Vormund:innen bzw. Ergänzungspfleger:innen zwischen einander geklärt wurden. Dies beinhaltet eine Klärung der gegenseitigen zeitlichen Erreichbarkeit und der gewünschten Wege der Erreichbarkeit über Mail, Telefon oder Fax. Aber auch inhaltliche Fragen wie die Vorstellungen zur Kontaktgestaltung zum Mündel und die gemeinsame Zusammenarbeit mit den nicht sorgeberechtigten Eltern und Geschwistern. Erwartungen und Grenzen zu Fragen von gesundheitlicher Versorgung, Pflege, Erziehung, Umgang mit dem Taschengeld und Übernachtungen bei Freunden und Familie sollten so präzise wie möglich abgesprochen werden, um Enttäuschungen auf der ein oder anderen Seite zu vermeiden.
Bundesforum: Welche Voraussetzungen braucht es Ihrer Meinung nach, um eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen? Hiller: Gute bzw. schlechte Zusammenarbeit entsteht auf zwei Ebenen. Einerseits die Ebene der Zusammenarbeit zwischen Fachkraft und Vormund:in und andererseits die gute bzw. schlechte Beziehungsebene zwischen Vormund:in und Mündel, die sich auch auf die Zusammenarbeit der Professionellen auswirkt. Wissen um die Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen des jeweils anderen sind von zentraler Bedeutung, um Vorwürfe von fehlendem Engagement oder fehlender Fachlichkeit zu vermeiden. Fachkräfte innerhalb einer Einrichtung sollten beispielsweise Kenntnisse über die unterschiedlichen Vormundschaftsarten haben, wobei es in der Verantwortung der Leitungskraft liegt, Mitarbeitende über das neue Vormundschaftsrecht zu informieren. Nur so können Fachkräfte auch Kinder, Jugendliche und nicht sorgeberechtigte Eltern über ihre Rechte in Kenntnis setzen.
Bundesforum: Und speziell in Bezug auf die Hilfeplanung gefragt – dazu geben Sie ja im November ein Seminar für das Bundesforum und die IGFH. Warum ist es aus Ihrer Sicht für die Kinder und Jugendlichen wichtig, dass sich sowohl die Fachkräfte der Einrichtung als auch die Vormund:innen in der Hilfeplanung engagieren? Ist das nicht „doppelt gemoppelte“ Arbeit? Hiller: Ein Vormund hat die Verantwortungsbereiche der nicht sorgeberechtigten Eltern übernommen. Sorgeberechtigte Eltern haben im Hilfeplanverfahren eine bedeutsame Rolle. Sie stehen in der Verantwortung, die Interessen des Kindes auch unabhängig von der Einrichtung im Hilfeplanverfahren zu vertreten. Für mich ist es daher selbstverständlich, dass der oder die Vormund:in eine eigenständige Rolle neben der Fachkraft der Hilfeanbieters und der Fachkraft des Kostenträgers hat und bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Hilfeplangespräches die Perspektiven des Kindes kennen, fachlich beurteilen und entsprechend vertreten muss.
Bundesforum: Vielen Dank! Wir freuen uns sehr auf die Fortbildung mit Ihnen am 27. und 28.11.2023 in Fulda!

BAGLJÄ: Neue Arbeits- und Orientierungshilfe für den Bereich der Amtsvormundschaft und –pflegschaft

Die BAGLJÄ hat eine neue Arbeits- und Orientierungshilfe für den Bereich der Amtsvormundschaft und -pflegschaft veröffentlicht!
Die Empfehlungen wurden von den Referent:innen der Landesjugendämter intensiv erarbeitet. Das war ein wichtiger Prozess, denn die bisher vorliegende Orientierungshilfe hatte seit 2004 keine Überarbeitung erfahren und berücksichtigte daher nicht einmal die so genannte „kleine Vormundschaftsreform von 2011.
Die Arbeits- und Orientierungshilfe beschäftigt sich sehr strukturiert mit den Anforderungen an eine zeitgemäße Vormundschaft nach der Reform. Es werden bspw. Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte diskutiert und organisatorische Anforderungen an die Jugendämter, die u.a. den Aufbau von Koordinierungsstellen beinhalten können. Empfehlungen für die räumliche, sächliche und finanzielle Ausstattung werden genannt und schließlich auch die wichtige Frage erörtert, welche Kriterien bei der Ermittlung von Fallzahlen anzulegen sind, die der Aufgabe der Vormundschaft gerecht werden.

Die BAGLJÄ verabschiedete das Papier schon auf der Sitzung vom 10.-12. Mai, inzwischen wurde es auch auf der Website der BAGLJÄ veröffentlicht.

Warendorfer Praxis veröffentlicht „Leitfaden Vormundschaft!“

Die „Warendorfer Praxis“ wurde von Jugendämtern, Familiengerichten, Rechtsanwälten, Verfahrenspflegern sowie Beratungs- und Hilfestellen des Kreises Warendorf in Anlehnung zunächst im Kontext von Trennung und Scheidung entwickelt. Gemeinsam wurden abgestimmte außergerichtliche und gerichtliche Verfahrensweisen erarbeitet, die sich an den Bedürfnissen der betroffenen Kinder orientieren.
Die an der „Warendorfer Praxis“ Beteiligten haben sich jedoch inzwischen auch den Sorgerechtsverfahren zugewandt, - und im Zuge der Vormundschaftsrechtsreform nun auch der Vormundschaft. Der Leitfaden Vormundschaft wird vom Kreis Warendorf, den Städten Oelde, Beckum und Ahlen sowie den Amtsgerichten Warendorf, Beckum und Ahlen gemeinsam getragen. Er geht von den zentralen Zielen der Vormundschaftsrechtsreform aus. Als erstes wird dabei die gesetzlich betonte Subjektstellung des Kindes aufgegriffen und ausführlich behandelt. So heißt es „Dem Kind sind in alters- bzw. entwicklungsentsprechender, d. h. insbesondere in sprachlich angemessener, zugewandter, transparenter, feinfühliger und es ernstnehmenden Weise die Gesamtsituation sowie seine Rolle und Rechte mitzuteilen. Dem Kind ist von Anfang an in alters- bzw. entwicklungsentsprechender Weise der Raum zu geben, seine Sichtweise und Wünsche auszusprechen und in das Verfahren frühzeitig einzubringen. [...].“
Der Leitfaden nimmt auch die gesetzliche Anforderung, die vier Formen der Vormundschaft als Gesamtsystem zu sehen und den für das Kind am besten geeigneten Vormund zu bestellen ernst und stellt insofern Vorteile des ehrenamtlichen und Amtsvormunds, die die an der Erstellung des Leitfadens Beteiligten jeweils für das Kind sehen, einander gegenüber.
Interessant für Vormundschaft und Gerichte sind auch die Hinweise des Leitfadens, die die vorläufige Vormundschaft und den Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft betreffen. Nach Bestellung des vorläufigen Vormunds soll das Jugendamt „eine schriftliche Stellungnahme zu den erfolgten Ermittlungen mit einer fachlichen Begründung ein[leiten], ob und ggf. welche Person als ehrenamtlicher Vormund in Betracht kommt oder ob aus Sicht des Jugendamts Kindeswohlgesichtspunkte gebieten, den vorläufigen Amts- bzw. Vereinsvormund in seinem Amt zu lassen.“ Anschließend ist vorgesehen, dass das Gericht zur Bestellung des endgültigen Vormunds ein neues Kindschaftsrechtsverfahren einleiten und nicht die Rechtspflege, sondern der/die Richter:in auch die Bestellung des endgültigen Vormunds vornimmt.

Arbeitsgruppe "Auswahl des am besten geeigneten Vormunds" auf dem Deutschen Familiengerichtstag (21.-23.9.2023 in Bonn)

Inzwischen beschäftigen sich auch die Familiengerichte mit der Vormundschaftsrechtsreform. Auf dem Deutschen Familiengerichtstag (DFGT) vom 21.-23. September 2023 findet am Freitag, den 22.9. von 13.00 Uhr bis 16.30 Uhr eine Arbeitsgruppe mit dem Titel "Auswahl des am besten geeigneten Vormunds" statt, Referent:innen sind Prof. Dr. Barbara Veit, Universität Göttingen und Vorsitzende der Kinderkommission des DFGT sowie Ingo Socha, Richter am Amtsgericht Lübeck. Der Deutsche Familiengerichtstag findet in Bonn im Gustav-Stresemann-Institut statt. Er bietet zahlreiche Vorträge und Arbeitsgruppen, die teils auch Sorgerechtsverfahren und die Vormundschaft berühren, wie bspw. einen Eingangsvortrag zum staatlichen Wächteramt und einen Vortrag zur Anhörung von Kindern im familiengerichtlichen Verfahren. Das gesamte Programm und die Teilnahmebedingungen finden Sie hier.

Podcast zur kindgerechten Justiz für Richter:innen und andere an Gerichtsverfahren beteiligten Akteur:innen

Das deutsche Kinderhilfswerk hat einen Podcast zu kindgerechter Justiz veröffentlicht, der interessante Hinweise zur Beteiligung von Kindern im Gerichtsverfahren bereitstellt. Es werden Inhalte zu kinderrechtsbasierten Kriterien und kindgerechter Anhörung vermittelt, durch die sich Kinder respektiert und besser verstanden fühlen sollen. Hinsichtlich der Bereitstellung kind- und jugendgerechter Informationen wird auf das Kinderbuch „Alles klar, Justitia“ hingewiesen, das darauf zielt jüngeren Kindern Rechtsfragen zu erklären. Die enge interdisziplinäre Kooperation von Fachkräften wird nicht nur als Notwendigkeit zur Gewährleistung kindgerechter Verfahren benannt, sondern beschleunigt auch nachweislich die Verfahren an sich. Außerdem wird auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern eingegangen, die es innerhalb von Gerichtsverfahren nicht nur von Richter:innen, sondern auch von allen anderen beteiligten Akteur:innen zu berücksichtigen gilt.

Bundesverband behinderter Pflegekinder bietet Vermittlungshilfe in Bereitschaftspflege

Der Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. bietet seit vielen Jahren Vermittlung von Kindern mit Behinderung in Pflegefamilien über Ortsgrenzen hinweg an. Jetzt hat der Verein sein Angebot erweitert und baut ein Netzwerk von Bereitschaftspflegefamilien auf, die Kinder mit Behinderungen aufnehmen.
Das Projekt nennt sich „Noteingang“. Es fußt auf Qualitätsstandards, die u.a. auf der Grundlage eines Prozesses zum Thema inklusiver Kinderschutz entwickelt wurden und zunächst mit einer Pilotgruppe von Familien erprobt werden. Wenn Vormund:innen und/oder Soziale Dienste nach einer Bereitschaftspflegefamilie suchen, kann sich das zuständige Jugendamt melden und sich dem Netzwerk anschließen, wenn es den Qualitätsstandards zustimmt. Der Bundesverband vermittelt dann nach Möglichkeit aus seinem Netzwerk eine passende Familie. Die Familie hat in der Folge auch die Möglichkeit an Austauschformaten teilzunehmen und der Verlauf wird evaluiert. Das Projekt übernimmt hierbei jedoch nicht die Aufgaben des Jugendamts oder freien Trägers etwa bei der Eignungsprüfung oder den konkreten Schritten der Anbahnung und Unterbringung des Kindes.

Broschüre des B-umF für junge Geflüchtete jetzt auch auf Englisch, Französisch und Dari

Die Broschüre "Neu Anfangen: Tipps für geflüchtete Jugendliche" richtet sich an junge Geflüchtete, die gemeinsam mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind. Sie finden in dieser Broschüre wichtige Informationen zu ihrer ersten Zeit in Deutschland:
Welche Rechte haben Jugendliche in Deutschland und wie kann man diese durchsetzen? Was ist Diskriminierung und was kann man dagegen tun? Welche Perspektiven und Möglichkeiten gibt es für Schule, Ausbildung, Studium und Beruf? Wo und wie können junge Geflüchtete und ihre Familien Unterstützung, Hilfe und Beratung finden? Welche Perspektiven gibt es für den Aufenthalt und die Familienzusammenführung? Und was ist, wenn jemand aus der Familie krank wird? Die Broschüre kann auf der Seite des Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge heruntergeladen werden und ist in den Sprachen Englisch, Dari, Französisch und Deutsch verfügbar.

Aktuelle rechtliche Hinweise

Kindeswohlgefährdung ist künftig nicht mehr Voraussetzung für eine Namensänderung
BGH vom 25.01.2023 - XII ZB 29/20

Die Namensänderung eines Kindes war bisher ohne Zustimmung beider Elternteile nur bei vorliegender Kindeswohlgefährdung möglich. Zukünftig soll das keine Voraussetzung mehr für eine Umbenennung sein, entschied der BGH.
Die Hürden für eine Namensänderung von Kindern sind hoch. Bislang verlangte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Kindeswohlgefährdung. Dieser Maßstab wurde nun aufgegeben: Künftig ist nicht mehr die Gefährdung des Kindeswohls sondern die Erforderlichkeit der Einbenennung der Maßstab, damit das Familiengericht die sogenannte Einbenennung ohne Zustimmung beider Elternteile anordnen kann. Allerdings werden an die Erforderlichkeit der Einbenennung des Kindes (hier: in seine Stieffamilie) dennoch hohe Anforderungen angelegt. Es genüge weder, dass die Namensänderung wünschenswert und dem Kindeswohl dienlich sei (Rn 28), noch seien „die typischerweise mit einer Einbeziehung des Kindes in die Stieffamilie verbundenen Interessen für sich genommen“ ausreichend, „um die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl zu begründen“ (Rn 29). Eine Einbenennung sei nur dann als erforderlich anzusehen, „wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde“ (Rn 27). Zudem sei grundsätzlich zu prüfen, ob eine sogenannte „additive Einbenennung“ (bei der der neue Nachname dem bisherigen vorangestellt oder angefügt wird) genüge.

Rückführungsanordnung eines Kindes zur Pflegemutter im Rahmen einer Verbleibensanordnung nach Trennung vom Pflegevater, der wegen Verbreitung kinderpornografischer Inhalte verurteilt worden war
Brandenburgisches OLG vom 02.06.2023 - 9 UF 212/19

In einer ausnehmend ausführlich begründeten Entscheidung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht die Rückführung eines neunjährigen Jungen aus einer Einrichtung in den Haushalt der Pflegemutter angeordnet. Der Junge war am 1. Oktober 2019 aus dem Haushalt der Pflegeeltern herausgenommen worden, nachdem im Adoptionsverfahren die 2 Jahre zuvor erfolgte Verurteilung des Pflegevaters bekanntgeworden war.
Zwar stellte eine Kinderschutzambulanz im Rahmen eines Clearingverfahrens fest, dass „keinerlei belastbare Hinweise auf einen Missbrauch E.´s durch den Antragsteller“ vorlagen und er „in (auch unangekündigt beobachteten) Interaktionen mit den „Eltern“ [...] keinerlei Unsicherheiten oder Angst“ zeige und beide Pflegeeltern „als Bindungspersonen fest verankert“ seien; jedoch wies das Amtsgericht den Antrag auf Verbleibensanordnung der Pflegeeltern ab und entschied, die „Delinquenz des „Vaters“ schließe ihn kraft Gesetzes als Pflegeperson aus und trage den Schluss auf eine entsprechende Gefährdungslage des Kindes. Damit folgte das Amtsgericht der Ansicht des Jugendamts, des Amtsvormunds sowie der Verfahrensbeiständin. Der Junge wurde sodann zunächst in einer Einrichtung, dann in einer anderen Adoptionspflegefamilie und schließlich wieder in einer Einrichtung untergebracht. Die Pflegemutter, die sich von ihrem Mann trennte, um die Erziehung des Kindes wieder aufzunehmen, ist inzwischen auch rechtskräftig geschieden.
Das OLG, das sich darauf bezieht, „dass bei einem länger andauernden Pflegeverhältnis und der daraus erwachsenen Bindung zwischen den Pflegeeltern und dem Pflegekind sich auch die Pflegefamilie auf den Grundrechtsschutz aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen kann“ würdigt sehr ausführlich die verschiedenen Stellungnahmen der Beteiligten, u.a. der Verfahrensbeiständin und mehrere vorliegende Gutachten. Es kommt in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass „dass das Wohl E.´s in der Familie D. tatsächlich nicht (nachhaltig) gefährdet war und auch im Falle seiner Rückführung allein zur Antragstellerin eine solche Kindeswohlgefährdung nicht zu besorgen ist“ (Rn 22) und ordnet nach Abwägung aller Umstände die Rückführung des Kindes in den Haushalt der Pflegemutter an.
Kommentar: Es lohnt sich, diese Entscheidung und die sehr ausführliche Begründung zu lesen. Auch wenn Hinweise auf Kinderpornografie, Pädophilie oder sexualisiertes Verhalten immer sehr ernst zu nehmen sind, ist eine Prüfung der konkreten Situation und Gefährdung des Kindes notwendig. In diesem Fall sind dem Kind möglicherweise Brüche zugemutet worden, die bei einer sorgfältigeren Klärung und Wertung der Vorgänge in dieser Weise nicht notwendig gewesen wären.

Aktuelle Publikationen

Julius Daven, Andreas Schrenk (Hrsg.) (2023): Ehrenamtliche Wegbegleitung in der Kinder- und Jugendhilfe: Auftrag, Inhalte, Herausforderungen (Soziale Arbeit)

Der Band ist interessant im Kontext der vom Vormundschaftsrecht nun geforderten verstärkten Zuwendung zur ehrenamtlichen Vormundschaft sowie im Kontext von Patenmodellen, die junge Menschen auch in die Volljährigkeit begleiten.
Einer der Autoren ist selbst als ehrenamtlicher Wegbegleiter und Vormund für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aktiv; der andere ist Dipl.-Sozialpädagoge mit über 25-jährigen Erfahrungen in Leitungstätigkeiten der Jugendhilfepraxis. Gemeinsam beschreiben beide die ehrenamtliche Wegbegleitung als mögliche Erweiterung des Kinder- und Jugendhilfesystems, mit dem Ziel die soziale Teilhabe junger Menschen zu fördern. Professionelle erzieherische Hilfen sollen hierbei keineswegs ersetzt, sondern vielmehr durch eine Betreuungsperson außerhalb des unmittelbaren Heimumfelds wirkungsvoll ergänzt werden.

Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen: Alles klar, Justitia - Lese- und Vorlesebuch für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter

Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen macht mit diesem Kinderbuch den Versuch, Kindern im KiTa- und Grundschulalter die Justiz nahezubringen. Es erklärt grundsätzlich den Sinn von Gesetzen und versucht, anhand von Kindern verständlichen Geschichten auch Sinn und Zweck von Gerichtsverfahren darzustellen. Dabei gehen alle dargestellten Verfahren positiv aus. Das Lesebuch ist geeignet, um Kindern insgesamt eine Vorstellung vom Sinn der Justiz und der Rechtsprechung zu vermitteln.
Was nicht vorkommt ist, welche Rechte Kinder im Verfahren haben, wer ihnen das Verfahren erklärt und ihnen beistehen kann (z.B. der Verfahrensbeistand). Und ob das familiengerichtliche Verfahren den Streit zwischen Trennungseltern so im Handumdrehen abstellen kann, wie es im Buch scheint, kann bezweifelt werden. Andererseits: In der Kurzform wie in diesem Kinderbuch ist es sicher sinnvoll, Kindern eher Mut zu machen, dass gerichtliche Verfahren helfen können.
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