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Infobrief Nr. 5 · Mai 2023

Inhaltsverzeichnis

  • Neu im Programm: Hilfeplanung nach dem KJSG: Rolle und Aufgaben von Fachkräften der Hilfen zur Erziehung und Vormund:innen
  • Interview mit Christiane Stöckigt: „Die Vormundschaftsreform ist eine Herausforderung zur Findung neuer Wege“
  • Synopse nachgereicht: Änderungen im FamFG durch das neue Vormundschaftsrecht
  • DJI-Projekt zur Adoption von Pflegekindern
  • Bundesforum unterstützt Care-Leaver-Statistics-Studie
  • Thesenpapier zur Vormundschaftsrechts-reform des DIJuF-Praxisbeirats Amtsvormundschaft
  • Empfehlung für die Pflegekinderhilfe durch LVR und LWL
  • Rechtsgutachten Bundesnetzwerk Ombudschaften
  • Rechtliche Informationen
  • Aktuelle Publikationen
  • Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Fortbildung: Hilfeplanung nach dem KJSG: Rolle und Aufgaben von Fachkräften der Hilfen zur Erziehung und Vormund:innen

Wir empfehlen die Teilnahme an dieser zweitägigen Fortbildung mit unserer erfahrenen Referentin Petra Hiller, die über viele Jahre hinweg eine große Jugendhilfeeinrichtung leitete. Durch diese und weitere berufliche Tätigkeiten hat Sie zahlreiche Erfahrungen mit Hilfeplanung und dem Zusammenspiel von Erziehungspersonen und Vormund:innen sowie auch mit der Fortbildung von Vormund:innen gesammelt. Das Bundesforum hat diese Fortbildung gemeinsam mit der IGfH in Präsenz geplant, da der persönliche Austausch – nach wie vor – wertvolle Lernerfahrungen bietet, die online nicht gleichermaßen möglich sind. Unter anderem bietet die Fortbildung auch Raum für Fachaustausch zwischen den unterschiedlichen Fachkräften.
Mehr Informationen, sowie die Anmeldung zur Fortbildung finden Sie hier.

Interview mit Christiane Stöckigt: „Die Vormundschaftsreform ist eine Herausforderung zur Findung neuer Wege“

Christiane Stöckigt ist Sachgebietsleitung im Vormundschaftswesen des Jugendamts Erfurt. Sie war von Juni 2021 bis November 2022 gemeinsam mit Fachkräften aus zwölf Jugendämtern sowie zwei Landesjugendämtern Teil einer Begleitgruppe zur Erarbeitung der Orientierungshilfe „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft – Förderung und Kooperation“.
Im Rahmen der Praxistagung
Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft –Neue Kooperationen wagen und gemeinsam Qualität entwickeln“ am 14. Juni 2023 wirkt sie in der Podiumsdiskussion sowie einer Arbeitsgruppe mit.

Bundesforum: Liebe Frau Stöckigt, Sie haben an der Expert:innengruppe „Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und ehrenamtlicher Vormundschaft teilgenommen. Konnten Sie von dem Austausch dort profitieren? Stöckigt: Es war immer interessant zu hören, wie Kolleginnen und Kollegen aus anderen Jugendämtern mit den inhaltlichen Dingen zum Thema Vormundschaft umgehen und diese umsetzen. Wir haben z.B. die Bewerberunterlagen zur Tätigkeit eines Einzelvormundes mit einer nötigen ärztlichen Bescheinigung ergänzt. Ganz wichtig war für mich die Diskussion zum Thema "Ausschlusskriterien" – Wer ist nicht als Einzelvormund geeignet? Wie wird damit umgegangen? Wie werden dazu die Eignungsgespräche mit den Bewerbern geführt? Austausch und Diskussion zu einem Thema führen immer zu neuen Erkenntnissen!
Bundesforum: Was hat den Austausch besonders ausgezeichnet? Stöckigt: Fachliche, sachliche und hilfreiche Diskussionen und eine tolle Vor- und Nachbereitung!
Bundesforum: In Erfurt arbeitet die Vormundschaft schon länger mit Ehrenamtlichen zusammen. Haben Sie trotzdem Impulse für die weitere Arbeit bekommen und evtl. auch schon etwas umgesetzt? Stöckigt: Ja! Ärztliche Bescheinigungen werden nunmehr im Bewerbungsverfahren verlangt. Unsere Gedanken und Haltung zu unseren Modulschulungen, welche die Einzelvormund:innen wahrnehmen müssen, haben sich verändert. Die Erarbeitung von Kooperationspapieren mit anderen Sachgebieten, dem ASD, Pflegekinderdienst und UMA-Team, zur Gewinnung von Einzelvormund:innen hat begonnen und wird fortgesetzt. Die Zusammenarbeit mit dem Familiengericht, v.a. den Rechtspfleger:innen, ist unabdingbar! Und ein Stammtisch für Ehrenamtliche wurde ins Leben gerufen.
Bundesforum: Sie nehmen als Expertin aus der Praxis an der Tagung „Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft“ am 14. Juni in Frankfurt a.M. teil. Welche Botschaft haben Sie heute für Jugendämter, die sich überlegen, an der Tagung teilzunehmen? Stöckigt: Die Tagung am 14.06.2023 in Frankfurt bietet die Möglichkeit, ganz viele Dinge zum Thema Ehrenamt im Bereich der Vormundschaft aus der Praxis zu erfahren. Wie kann für das Ehrenamt geworben werden? Welche Vorbereitungen sind dazu nötig? Welche Erfahrungen kann ich nutzen? Wie kann die Schulung für eine Einzelvormundschaft aussehen? Was ist dazu unbedingt nötig? Wie erfolgten die gesetzlich vorgeschriebene Beratung und Begleitung der Ehrenamtlichen? Mit wem sollte man kooperieren? Und vieles andere mehr. Es braucht diesen Austausch: Die Vormundschaftsreform ist eine Herausforderung zur Findung neuer Wege in den Bereichen der Vormundschaft und Pflegschaft.
Bundesforum: Vielen Dank! Wir freuen uns sehr auf die Praxistagung mit Ihnen am 14.06.2023 in Frankfurt!

Die Orientierungshilfe Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft – Förderung und Kooperation kann für 10 Euro pro Exemplar zzgl. Versand per E-Mail an info@vormundschaft.net bestellt werden.

Synopse nachgereicht: Änderungen im FamFG durch das neue Vormundschaftsrecht

Das Bundesforum reicht hiermit – nach seiner Synopse des BGB und der des DIJuF zum SGB VIII - eine Synopse zu den neuen Formulierungen des FamFG nach. Die bisher im BGB geregelten Vorschriften, die das familiengerichtliche Verfahren betrafen, sind nun systematisch richtiger im FamFG zu finden. Einige Vorschriften wurden entschlackt, modernisiert oder vereinfacht (Bestellungsurkunde statt Bestallungsurkunde/Abschaffung des Handschlags). Andere wurden den Grundgedanken des neuen Vormundschaftsrechts angepasst. So erhalten bspw. Jugendliche ab 14 Jahren das Recht, die Auswahl des Vormunds durch die Behörde oder den Verein überprüfen zu lassen (§ 168 Abs. 3 FamFG iVm § 291 FamFG).

DJI-Projekt zur Adoption von Pflegekindern

Das Deutsches Jugendinstitut (DJI) hat interessierte Mitglieder des Bundesforums im April online zu einem interessanten Projekt zur Verbesserung der Kooperation bei Adoption von Pflegekindern informiert. In Deutschland kommen Adoptionen von Pflegekindern relativ selten vor, obwohl die Prüfung dieser Möglichkeit gesetzlich vorgesehen ist (§ 37c Abs. 2, S.3 SGB VIII). Im jungen Erwachsenenalter hingegen kommen Adoptionen des Öfteren vor.
Das Projekt zielt nicht direkt auf die Erhöhung der Anzahl von Pflegekinder-Adoptionen ab, sondern untersucht deren Voraussetzungen und Sinnhaftigkeit aus Sicht der Praxis: „Ziel des Projekts ist es, die aktuelle Praxis und Praxisprobleme bei der Prüfung der Möglichkeit der Adoption bei Pflegekindern zu untersuchen, und die Perspektiven und Sichtweisen der beteiligten Fachdienste, der Pflegeeltern, der Herkunftseltern und beteiligter Vormünder von Kindern, die über eine längere Zeit in einer Vollzeitpflege untergebracht sind, zu erfassen. Dabei sind vor dem Hintergrund des mit dem Adoptionshilfe-Gesetz neu eingeführten Kooperationsgebots (§ 2 Abs. 5 AdVermiG) insbesondere die Kooperationsstrukturen und -prozesse der beteiligten Fachdienste von Interesse.“
Laufzeit: 01.10.2022 - 31.03.2025

Bundesforum unterstützt Care-Leaver-Statistics-Studie

Das Bundesforum hat einen Aufruf zur Unterstützung der Care-Leaver-Statistics-Studie (CLS-Studie) unterschrieben. Die CLS- Studie untersucht und begleitet als erste bundesweite Langzeitstudie die Übergänge von jungen Menschen aus Wohngruppen und Pflegefamilien in die Verselbstständigung bzw. in andere Unterstützungssysteme.
Ziel der Studie ist es, zu verstehen, vor welchen Herausforderungen Jugendliche in diesen Bereichen stehen, wenn sie aus Wohngruppen oder Pflegefamilien ausziehen, was ihnen wichtig ist und wo Schwierigkeiten aufkommen. Der Fokus liegt auf vielfältigen Teilhabechancen am gesellschaftlichen Leben (Wohnen, (Aus)Bildung, Gesundheit, Freizeit, soziale Beziehungen, Arbeit, Lebenszufriedenheit, Inanspruchnahme von sozialstaatlichen Leistungen).
Die notwendige Teilnahmezahl von jungen Menschen aus Pflegefamilien ist derzeit leider noch nicht erreicht. Das Bundesforum ruft daher zu Unterstützung dieser Studie auf. Werben Sie bei Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren, die in Pflegefamilien leben, für eine Teilnahme. Die Anmeldung zur Studie ist hier möglich. Die Teilnahme an der Studie ist mit einem finanziellen Dankeschön für jede Befragung sowie der Möglichkeit verbunden, an einem attraktiven Begleitprogramm teilzunehmen.

Thesenpapier zur Vormundschaftsrechtsreform

Der Praxisbeirat Amtsvormundschaft des DIJuF hat ein Thesenpapier mit insgesamt 10 Thesen bzgl. der Vormundschaftsrechtsreform erstellt.
Breiten Raum nimmt die These 5 ein, die feststellt, dass es bei der Förderung der ehrenamtlichen Vormundschaft nicht darum gehen kann, eine feste Quote zu erreichen, sondern vielmehr Wille und Bedarf von Kindern im Vordergrund stehen: „Ein möglichst hoher Anteil von ehrenamtlich geführten Einzelvormundschaften bedeutet nicht in jedem Fall ein (Qualitäts-)Gewinn für die betroffenen Kinder. Vielmehr müssen auch weiterhin der Wille sowie insbesondere die Bedarfe der betroffenen Kinder im Fokus stehen und handlungsleitend für Überlegungen zur Auswahl des/der am besten geeigneten Vormund:in und/oder Pfleger:in sein“.

Einige der weiteren Thesen nehmen spezifisch die Aufgaben im Jugendamt in den Blick. Hierzu gehören bspw. die Notwendigkeit klarer Kooperationsabsprachen und Schnittstellenklärung sowie bei Bedarf die Einrichtung einer Koordinierungsstelle (These 3) und ebenso die Schaffung von Rollenklarheit innerhalb des Jugendamts sowie auch bezüglich ehrenamtlicher Vormundschaft die Vermeidung von Doppelstrukturen (These 4).

Andere Thesen hingegen betreffen alle Formen der Vormundschaft gleichermaßen: So soll das Kind im Mittelpunkt der Vormundschaft stehen und der Fokus auf der Ermittlung seiner Bedarfe und Wünsche liegen (These 1), sowie die Reform als Anlass zur Reflexion und Diskussion über Standards in der (Amts-)Vormundschaft genutzt werden (These 2).

Empfehlung für die Pflegekinderhilfe durch LVR und LWL

In Kooperation mit einer Arbeitsgruppe aus Fachkräften unterschiedlicher Jugendämter, freier Trägern und mit der wissenschaftlichen Begleitung des Instituts Perspektive gGmbH haben die nordrhein-westfälischen Landesjugendämter (LVR und LWL) eine Empfehlung zur Verwandten- und Netzwerkpflege veröffentlicht. Die Empfehlung beschreibt die Notwendigkeit der fachlichen Unterstützung und Begleitung von Pflegepersonen bei der Verwandten- und Netzwerkpflege. Sie richtet sich an Fachkräfte der Pflegekinderhilfe sowie alle anderen professionellen Beteiligten, „die mit Prozessen von Hilfen gemäß § 33 SGB VIII in Berührung kommen“ (S.5). Die Vormundschaft ist hierbei explizit nur an einer Stelle berücksichtigt, nämlich bei der Zustimmung zum Pflegeverhältnis. Die Lektüre lohnt sich jedoch, um die Dynamiken in Verwandten- und Netzwerkpflege besser zu verstehen: Es werden eine Reihe von Besonderheiten von Verwandten- und Netzwerkpflege herausgearbeitet. Hierzu gehört beispielsweise, dass die üblichen Begriffe wie Pflegeeltern, Pflegemutter usw. in diesem Bereich häufig nicht passend erscheinen und sich anstelle des Begriffs „Eignungsprüfung“ eher die Bezeichnung „Anerkennungsverfahren“ anbietet. Zentral ist außerdem, Ressourcen und Herausforderungen des schon bestehenden Beziehungs- und Rollengeflechts zu reflektieren.

Rechtsgutachten des Bundesnetzwerk Ombudschaft

Seit Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) im Juni 2021 sind Ombudschaften gesetzlich im Kinder- und Jugendhilfesystem verankert und entwickeln sich stetig weiter. Das Bundesnetzwerk Ombudschaft hat in diesem Zusammenhang in einem Rechtsgutachten den § 9a SGB VIII umfangreich untersucht. Innerhalb des Gutachtens wird erklärt, dass laut § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII „mit abschließender Eindeutigkeit geregelt“ sei, dass „Junger Mensch ist, wer noch nicht 27 Jahre alt ist“. Bzgl. der Vormundschaft wird laut Gutachten ebenso eindeutig festgestellt, dass auch Vormund:innen, Pfleger:innen und rechtliche Betreuer:innen, sich „zugunsten der von ihnen rechtlich vertretenen Personen an eine Ombudsstelle wenden können“.
Offen bleibt dagegen die Frage, ob sich Kinder- und Jugendliche an Ombudstellen wenden können, wenn sie Probleme mit ihren Vormund:innen haben.

Rechtliche Informationen

DIJuF-Rechtsgutachten vom 21.03.2023, JAmt 05/2023, 228.
Inhalt des Berichts der Vormundin gegenüber dem Familiengericht (Anfang-, Jahres- und Schlussbericht); Vorlage Entwicklungsberichte Dritter

Das Rechtsgutachten diskutiert, ob zusätzlich zu den Jahresberichten künftig auch Entwicklungsberichte von Dritten/Leistungserbringern wie Kindertagesstätten, Einrichtungen, Schulen, Klinikberichte, Hilfeplanprotokolle an das Familiengericht übersandt werden müssen, wenn dieses sie anfordert. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die: Vormund:in dem Familiengericht auf Verlangen Einsicht auch in Papier Dritter zu geben hat, - soweit dies für die familiengerichtliche Aufsicht erforderlich ist (§ 68 Abs. 1, S.1,2). Insbesondere anvertraute Daten dürften nur zu dem Zweck weitergegeben werden, zu dem sie befugt erhalten worden sind (§ 65 Abs. 1 S.2 SGB VIII).

DIJuF-Rechtsgutachten vom 08.12.2022, Jamt 05/2023, 238.
Identitätsklärung bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten; Zeitpunkt der Mitwirkungspflicht des jungen Menschen bzw. seiner Vormundin

Das Rechtsgutachten beschäftigt sich mit der Fragen, zu welchem Zeitpunkt junge Geflüchtete bzw. ihre Vormund:innen in welcher Weise an der Identitätsklärung mitwirken müssen. Hintergrund ist, dass mangelnde Identitätsklärung bei subsidiär Schutzberechtigten bzw. Inhaberinnen eines Abschiebungsverbots nicht sanktioniert werden kann und diese einen Ausweisersatz bekommen (können).Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass während des Asylverfahrens die Angabe biografischer Daten ausreichend sei- Nach negativem Abschluss des Verfahrens (bei Duldung) habe der junge Mensch – vertreten durch die: Vormund:in allerdings die Initiative gegenüber seinem Heimatland zu ergreifen, um Papiere zu erlangen (§ 48 Abs.3 AufenthG). Die in § 60 c Abs. 3 AufenthG vorgegebenen starren Fristen zurAusbildungsduldung stünden im Widerspruch zu den übrigen Regelungen des AufenthG und seien nach herrschender Meinung nicht beachtlich, um eine Ausbildugsduldung zu erlangen.

Hilfeplangespräch; Zurückweisung von Beiständen; Anspruch auf Onlinekonferenz; Vorläufiger Rechtsschutz
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Januar 2023 – 12 CE 22.2526 –, juris

Das Oberverwaltungsgericht befasste sich in zweiter Instanz mit dem Begehren nicht sorgeberechtigter Eltern auf eine einstweilige Anordnung, die das Jugendamt verpflichten sollte, von den Eltern benannte Beistände zum Hilfeplangespräch zuzulassen. Ergänzend sollte das Jugendamt verpflichtet werden, das Hilfeplangespräch online durchzuführen. Hintergrund war die Distanz zwischen dem Wohnsitz der Eltern in Stralsund und dem Sitz des zuständigen Jugendamtes in Bayern. Obwohl das Hilfeplangespräch inzwischen stattgefunden hatte und damit der Grund für eine entsprechende Anordnung entfallen war und der Antrag auf Verpflichtung zum Online-HPG mangels einer vorangehenden amtsgerichtlichen Entscheidung als unzulässig verworfen wurde, gibt das OVG im Folgenden einige Hinweise zur Rechtslage für die zukünftige Fallgestaltung:
  • Hinsichtlich der Beteiligung von nicht-sorgeberechtigten Eltern im Rahmen von Hilfeplangesprächen verweist das Gericht darauf, dass es sich bei § 36 Abs. 5 SGB VIII um eine Sollvorschrift „unter Anerkennung des grundrechtlichen Schutzes der Elternrechte in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG“ handele, sodass der Ausschluss der Eltern ein begründungsbedürftiger Ausnahmefall sei. „Allein das fehlende Einverständnis der Antragsteller mit der Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien“ und „der Wunsch nach einer Verfahrensbegleitung durch jugendamtskritische Beistände“ seien keine ausreichenden Gründe, um den Antragstellern die Teilnahme am HPG zu verweigern.
  • Aus dem Fortbestand des elterlichen Grundrechtes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergäbe sich überdies, dass die Rahmenbedingungen zur Teilnahme am Hilfeplangespräch so zu gestalten seien, dass den Eltern die Teilnahme erleichert werde. Der Wohnsitz der Eltern und die daraus resultierenden „erheblichen zeitlichen und finanziellen Belastungen“ seien daher bei der Entscheidung das Hilfeplangespräch online oder in Präsenz stattfinden zu lassen zu berücksichtigen. Darüber hinaus weist das OVG darauf hin, dass sich „die Ansetzung eines Hilfeplangesprächs in Präsenz allein mit dem Ziel, eine Nichtteilnahme der Antragsteller aus zeitlichen und finanziellen Gründen zu provozieren, als rechtsmissbräuchlich“ erweise.
  • Das Recht, sich im jugendhilferechtlichen Verfahren eines Beistands zu bedienen (§ 13 SGB X), werde lediglich dadurch eingeschränkt, dass ein Beistand zurückgewiesen werden könne, wenn konkrete und nachvollziehbare Tatsachen dafür sprächen, dass er ungeeignet sei (§ 13 Abs. 6 S. 1 SGB X). Dies sei der Fall, „wenn sein Vorbringen den Zweck einer jugendhilferechtlichen Maßnahme beeinträchtigt“. Das Gericht führt dazu aus: „Will der Antragsgegner im vorliegenden Fall die benannten Beistände in Zukunft von Hilfeplangesprächen ausschließen, muss er deren Ungeeignetheit anhand konkreter Tatsachen aus der Vergangenheit belegen. Hierbei gälte es insb. zu berücksichtigen, dass sich die Artikel von J.Z. und K.F. im Internetportal www.freifam.de nicht auf Hilfeplangespräche, sondern auf das umgangsrechtliche Verfahren vor dem Amtsgericht Wolfratshausen beziehen. Weiter gälte es zu berücksichtigen, dass sich die entsprechenden Artikel zwar zugespitzt kritisch mit dem Verhalten der zuständigen Jugendamtsfachkraft beschäftigten, die Autoren jedoch weder zur Unterlassung bzw. zum Widerruf ihrer Aussagen verpflichtet und noch wegen Beleidigungsdelikten strafrechtlich belangt worden sind. Darüber hinaus müsste ferner berücksichtigt werden, dass die benannten Beistände am Hilfeplangespräch ihrer im Bereich des Landratsamts Rosenheim untergebrachten weiteren Tochter offensichtlich ohne Beanstandungen teilgenommen haben. Eingedenk dessen sollte der Antragsgegner seine bislang dezidierte Zurückweisung der benannten Beistände nochmals überdenken“ (vgl. auch DIJuF-RGA vom 7.4.2008, JAmt 2008, 309). Ein allgemeiner Anspruch, von jedweder öffentlichen Kritik an seinen Maßnahmen verschont zu bleiben, stehe dem Jugendamt nicht zu.

Aktuelle Publikationen

Diana Eschelbach (2021): Rechtsaspekte zu Vormundschaft und Pflegschaft in der Pflegekinderhilfe

Die Broschüre erklärt Vormundschaft/Pflegschaft Personen aus dem Bereich der Pflegekinderhilfe. Sie liegt in neuer Überarbeitung unter Berücksichtigung des KJSG sowie des neuen Vormundschaftsrechts vor und kann beim Kompetenzzentrum bestellt werden.

Bisten/Fasse: ProReVorm – Neue Prozessbeschreibungen zur vormundschaftsbezogenen Aufgabenwahrnehmung, JAmt 2023, 217.

Matthias Bisten und Antje Fasse stellen in diesem Aufsatz die nordrhein-westfälische Arbeitshilfe ProReform vor. Gemeinsam mit 7 Jugendämtern haben die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe Prozessbeschreibungen nach dem neuen Vormundschaftsrecht entwickelt. Schwerpunkte der Arbeitshilfe sind:
  • Anrufung des Familiengerichts und Stellungnahme des ASD zur Auswahl des Vormunds
  • Prüfung und qualifizierter Vorschlag zur Auswahl des am besten geeigneten Vormunds,
  • Beratung, Unterstützung und Beaufsichtigung von Vormündern,
  • Gewinnung und Eignungsprüfung und -feststellung ehrenamtlicher Vormünder,
  • Führung von Vormundschaften durch das Jugendamt.
Hier finden Sie die Arbeitshilfe ProReform im Original.

Dagmar Zorn (2023): Familienrecht, 7. Aufl., Reihe Rechtspfleger-Studienbücher: Bd. 4, Gieseking Verlag

Neue Auflage einer grundlegenden Einführung, sowie Beschreibung von zehn Fällen aus unterschiedlichen Bereichen: Gesetzliche Vertretungen, Abstammung/Elterliche Sorge, Tod eines Elternteils, Vormundschaft/Genehmigungen, Eingriffe des Familiengerichts, Zugewinngemeinschaft, Vertretungshindernisse, Haftung Minderjähriger, Betreuerbestellung, Vermögensverwaltung, Einzelprobleme bei Betreuungen

Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Veranstaltungen des Bundesforums

Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft – Neue Kooperationen wagen und gemeinsam Qualität entwickeln

am Mittwoch, 14. Juni 2023 von 10:00 – 16:30 Uhr
Ort: Evangelische Akademie Frankfurt, Römerberg 9, 60311 Frankfurt am Main
Kosten: 140 Euro bzw. 120 Euro für Mitglieder des Bundesforums, zzgl. 32 Euro Verpflegung
Anmeldung: online
Zielgruppen: Fach- und Leitungskräfte aus Jugendämtern und VormundschaftsvereinenIm Mittelpunkt der Tagung stehen der intensive Austausch über erste Erfahrungen rund um die Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts und den daraus abzuleitende Gelingensbedingungen für die aktuelle Praxis. In Austauschrunden und Arbeitsgruppen, geleitet von Praktiker:innen aus Jugendämtern und Vereinen, werden Aspekte der Förderung ehrenamtlicher Vormundschaften und der konkreten Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen vorgestellt und diskutiert. Das Programm der Tagung finden Sie hier.
Teilnehmer:innen der Praxistagung erhalten ein Druckexemplar der Orientierungshilfe «Jugendamt und ehrenamtliche Vormundschaft – Förderung und Kooperation« sowie eine Dokumentation der Veranstaltung im Nachgang.

Einführung in die Interaktionsbeobachtung als Mittel der Beteiligung von kleinen Kindern

am Freitag, 10. November 2023 von 09:00 – 12:00 Uhr
Referentin: Rechtsanwältin Petra Ladenburger
Kosten: 110 Euro bzw. 90 Euro für Mitglieder des Bundesforums
Anmeldung: online
Die Fortbildung gibt eine erste Einführung in die Interaktionsbeobachtung und fragt, was Vormund:innen und Fachkräfte der Erziehungshilfen und des Pflegekinderdiensts von dieser Methode lernen und anwenden könnten. Ziel ist es durch die Beobachtung von Interaktionen zwischen Kindern und Erwachsenen neue Räume zur Beteiligung von insbesondere Kindern mit Behinderungen zu erschließen.
Hinweis: Die Fortbildung ist kostenfrei für diejenigen Teilnehmer:innen an der Tagung in Kassel, die online zu dem dort ausgefallenen Workshop angemeldet waren.

Hilfeplanung nach dem KJSG: Rolle und Aufgaben von Fachkräften der Hilfen zur Erziehung und Vormund:innen

am Montag, 27. November – Dienstag, 28. November 2023
Referentin: Petra Hiller
Kosten: 380 Euro bzw. 330 Euro für Mitglieder des Bundesforums
Anmeldung: online
Die Fortbildung richtet sich gleichermaßen an Vormund:innen und Fachkräfte der Hilfen zur Erziehung. Im Mittelpunkt der Fortbildung steht das aktive Zusammenwirken von Vormund:innen, Fachkräften der freien Träger sowie den Kindern/Jugendlichen und ihren Eltern innerhalb der Hilfeplanung nach §36 SGB VIII.

Sonstige Veranstaltungen

Fachtagung „Vorbild Ukraine? Hilfesysteme der Zukunft“

am Montag, 5. Juni – Dienstag, 6. Juni 2023
Veranstalter: terre des hommes, BumF, ECPAT und BAfF
Kosten: 75 Euro
Anmeldung: online

Save the Date: Jugendhilfe nachgefragt

am 15.-16. Januar 2024
Veranstalter: Kompetenzzentrum Pflegekinder
Anmeldung: online
Save the date: Das Kompetenzzentrum Pflegekinder lädt zu einer besonderen Tagung am 15./16. Januar 2024 ein. Es lohnt sich, sie schon vorzumerken. Die Tagung bildet den Abschluss eines Projekts mit Jugendlichen: In dem Projekt engagieren sich 25 Pflegekinder und Careleaver:innen zwischen 12 und 26 Jahren in 5er-Gruppen an fünf Standorten. In pädagogisch begleiteten Workshops sammeln sie Fragen an die Kinder- und Jugendhilfe, die ihnen bisher nicht beantwortet wurden. Anschließend besuchen Sie verschiedene behördliche und pädagogische Einrichtungen und holen Informationen ein. Das Projekt wird gefilmt und daraus auch ein podcast entwickelt. Sie können gespannt sein.
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