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Infobrief Nr. 5 · Mai/ Juni 2022

Inhaltsverzeichnis

  • Forschung Vormundschaften und Herkunftsfamilie
  • Interview mit Frau Raphael zu Geschwisterbeziehungen in der Vormundschaft
  • Fortbildung: Beteiligung – Wie es gelingen kann, mit dem Kind seine Themen zu bewegen! Kreative Methoden für Vormund*innen
  • Tagung: Im Fokus der Großen Vormundschaftsreform – Praxisentwicklung für Kinder und Jugendliche
  • Unterlagen zur Personalbemessung in der Vormundschaft
  • Informationsseiten zum Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
  • Aktuelle rechtliche Informationen
  • Aktuelle Publikationen
  • Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Forschung Vormundschaften und Herkunftsfamilie

Im Zeitraum April 2020 bis März 2022 führte das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt unter Beteiligung des Bundesforums, des DIJuF und des SkF Gesamtvereins in einer Steuerungsgruppe eine Forschung zu Vormundschaften und Herkunftsfamilie durch. Gefördert wurde die Forschung durch die Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V. Im April 2022 wurde der Abschlussbericht vorgelegt, der sowohl als Ganzes als auch in Kapiteln zum Download zur Verfügung steht:
  1. Hintergründe und Rahmenbedingungen des Projekts „Vormundschaften und Herkunftsfamilie“
  2. Überblick über den Stand der Forschung zum Verhältnis zwischen Vormundschaft, fremduntergebrachten Jugendlichen und ihren Herkunftsfamilien
  3. Institutionalisierte Kindheiten – eine theoriegeleitete Perspektive auf Vormundschaften und Herkunftsfamilie
  4. Die qualitative Studie „Vormundschaften und Herkunftsfamilie“ – Forschungsdesign und Reflexion des methodischen Vorgehens
  5. Aufwachsen in und zwischen Familie und Institutionen: Orientierungen und Praktiken der Kontaktgestaltung
  6. Aufwachsen in und zwischen Familie und Institutionen: Jugendhilfe im Spannungsfeld zwischen Institution und Personen
  7. Vormundschaften und Herkunftsfamilie: Aufwachsen zwischen Familie und Institutionen. Ein Fazit.

„Ich wusste nicht, dass ich meine Vormundin hätte fragen können, ob ich zu meiner Schwester ziehen darf.“ - Interview mit Frau Raphael

Frau Raphael kam als Kind mit ihrer erwachsenen Schwester nach Deutschland und wuchs in mehreren Pflegefamilien und Einrichtungen auf. Heute studiert die bereits ausgelernte Steuerfachangestellte Soziale Arbeit. Das Thema „Vormundschaft“ ist ihr ein Herzensthema mit dem sie sich sowohl im Studium als auch im Ehrenamt oft beschäftigt.

Bundesforum: Liebe Frau Raphael, vor kurzem wurde ein Forschungsbericht zu Herkunftsfamilien und Vormundschaften veröffentlicht. Welche Bedeutung bzw. Rolle hatte Ihre Familie für Sie? Raphael: Ich bin damals mit drei Jahren mit meiner 21-jährigen Schwester nach Deutschland gekommen. Meine Schwester war für mich meine Hauptbezugsperson, auch die ganze Jugendhilfezeit über. Sie und meine Familie in Haiti wurden in der Hilfeplanung aber kaum berücksichtigt. Ich lebte in mehreren Pflegefamilien und Einrichtungen und suchte immer wieder den Kontakt zu meiner Schwester, der aber teilweise unterbunden wurde. Meine Schwester hätte mich gerne behalten und weder sie noch ich konnten verstehen, weshalb man mich ihr weggenommen hat. Es hieß damals, dass sie mit 21 Jahren zu jung sei und wir nicht zusammen in einem Zimmer leben könnten. Das war für uns auch ein kultureller Schock, vor allem für meine Schwester, die sich gegenüber unserer Familie in Haiti rechtfertigen musste, weshalb ich nicht bei ihr bin und man mich ihr weggenommen hat. In Haiti gibt es die Jugendhilfe, wie wir sie in Deutschland kennen, nicht. Dort würde man nicht von einer Kindeswohlgefährdung sprechen, wenn eine 21-jährige Frau mit einer dreijährigen Schwester in einem Zimmer lebt. Und es gibt in Haiti auch keine Bestellung einer für das Kind erst einmal fremden Person als Vormund. Meine Schwester und ich haben vieles nicht nachvollziehen können. Ich habe dem ASD und meinen Pflegeeltern gesagt, dass ich gerne zu meiner Schwester ziehen möchte, mich aber oft nicht gehört und ernstgenommen gefühlt. Und deshalb bin ich immer wieder von der Pflegefamilie oder Einrichtung abgehauen und zu meiner Schwester gegangen. Dass meine Vormundin meine Interessenvertreterin war und ich das Thema bei ihr hätte ansprechen können, wusste ich damals nicht. Meine Schwester hatte sich damals Unterstützung vom Jugendamt erhofft und hat nicht damit gerechnet, dass man mich in Obhut nimmt und einen Vormund bestellt. Sie fühlte sich in dem Moment ohnmächtig, kämpfte um mich und war schließlich auch sehr emotional und impulsiv. Das führte dann leider dazu, dass man sie als störend wahrnahm und nicht darüber nachdachte, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Unterstützung ich bei ihr leben und sie für mich das Sorgerecht bekommen könnte.

Bundesforum: Und welche Rolle spielte Ihre Vormundin? Was hätten Sie sich von Ihrer Vormundin gewünscht? Raphael: Ich war mit meiner Vormundin zufrieden, hatte aber auch keine enge Beziehung zu ihr. Für mich war sie immer die Person, die ich anrufen musste, wenn es um Formalien ging. Mit ihrer Unterstützung wurde mir sehr vieles bewilligt, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe sie aber nicht als eine Bezugsperson erlebt, der ich mich bei Problemen in der Gruppe oder Pflegefamilie hätte anvertrauen können. Damals wusste ich nicht, dass Vormund*innen auch für solche Anliegen zuständig sind. Ich kam gar nicht auf die Idee, meine Vormundin zu fragen, warum ich nicht bei meiner Schwester leben kann. Mir wurde damals nicht erklärt, was Vormundschaft bedeutet und welche Rolle meine Vormundin hat oder mit welchen Anliegen ich mich bei ihr melden kann. Ich kann allen Vormund*innen nur empfehlen: Sucht den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, um herauszufinden, was sie beschäftigt. Kinder sind sich oft nicht bewusst, mit welchen Themen sie sich bei wem melden können. Umso wichtiger ist es, dass Sie auf die jungen Menschen zugehen und sich immer wieder die Zeit nehmen, dem Kind den Sinn und Zweck einer Vormundschaft zu erklären.

Bundesforum: Liebe Frau Raphael, vielen Dank für Ihren Erfahrungsbericht.

Fortbildung: Beteiligung - Wie es gelingen kann, mit dem Kind seine Themen zu bewegen! Kreative Methoden für Vormund*innen

Das Bundesforum bietet in Kooperation mit der IGfH eine praxisnahe und methodenreiche Fortbildung in Frankfurt zur Beteiligung an. Referent ist Prof. Dr. Jörg Maywald, Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam – und sehr erfahren in diesem Thema.
Das Thema „Rechte und Beteiligung“ der jungen Menschen ist für Vormund*innen schon lange wichtig. Durch die Vormundschaftsreform und das neue SGB VIII gewinnt es an Dynamik. Und es wird klar, dass manches weniger selbstverständlich ist als gedacht: Kinder und Jugendliche möchten an Themen beteiligt werden, die Erwachsene nicht immer auf dem Schirm haben. Oder sie wünschen sich, dass ihr*e Vormund*in auf sie zukommt – zeigen es aber nicht. Und manchmal wollen sie auch, dass ihr *e Vormund*in für sie spricht und sie sich selbst nicht äußern müssen. Kinder und Jugendliche so zu beteiligen, dass sie sich auch beteiligt fühlen, ist eben nicht immer einfach.

Datum und Tagungsort:
05.10.2022 von 10:00-16:00 Uhr im Haus am Dom, Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main
Teilnahmegebühr und Anmeldung:
160 Euro bzw. 140 Euro für Mitglieder inkl. Essen und Getränke. Hier geht es zur Anmeldung.

Beschreibung: § 1788 BGB n.F. formuliert, dass jedes Kind, das eine*n Vormund*in hat, das Recht auf „Beteiligung an ihn betreffenden Angelegenheiten [hat], soweit es nach seinem Entwicklungsstand angezeigt ist“. Auch das KJSG stärkt die Beteiligungsmöglichkeiten. Im Alltag ist das weniger einfach umzusetzen als es klingt und es stellen sich Fragen:
  • Wie können und sollen Kinder und Jugendliche über ihre Rechte informiert werden?
  • Über das Gespräch hinaus: Welche Möglichkeiten gibt es, den persönlichen Kontakt mit dem*der Vormund*in partizipativ zu gestalten?
  • Wie kann die Sichtweise des Kindes berücksichtigt werden, wenn das Kind (noch) nicht sprechen kann oder mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung lebt?
  • Auf welche Weise können Kinder auf Hilfeplangespräche oder Gerichtstermine vorbereitet werden?
  • Wie damit umgehen, wenn der Wille des Kindes nicht seinem*ihrem Wohl entspricht?
Die Fortbildung ist praxisnah und auf Austausch zwischen den Teilnehmenden angelegt. Sie wird dabei Methoden an die Hand geben, um Beteiligung im Alltag zu stärken.

Tagung: Im Fokus der Großen Vormundschaftsreform – Praxisentwicklung für Kinder und Jugendliche

Am 24. und 25. Oktober findet die letzte – neu konzipierte und spannende - Fachtagung zur Vormundschaftsrechtsreform kurz vor deren Inkrafttreten am 1.1.2023 statt!

Zentrale Vorträge gelten dem Verhältnis von Rechten und Autonomie von Kindern einerseits, der Verantwortung der Vormund*in andererseits (Prof’in Dr. Friederike Wapler, Universität Mainz) sowie der Personalbemessung in der Vormundschaft (Bruno Hastrich, Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (INSO).

Das Besondere an der Tagung: Mit dem sehr vielfältigen Programm möchten wir einen Raum bieten, um zu offenen Fragestellungen ins Gespräch zu kommen. Die Interessen der Kinder und Jugendlichen immer im Blick behaltend, soll es auch darum gehen, welche Anforderungen an Vormund*innen gestellt werden und welche Rahmen- und Arbeitsbedingungen es braucht, um den jungen Menschen als Vormund*in gerecht zu werden.

Hierfür sind Gruppen zur Vernetzung und Arbeitsgruppen geplant, in denen die Teilnehmenden sich zur Personalbemessung, zum Umgang mit Fallzahlen, dem Zusammenspiel zwischen Familiengericht und Vormundschaften oder der Kontaktgestaltung mit traumatisierten Kinder oder der Gesprächsführung mit Jugendlichen informieren und austauschen können. Hier finden Sie das Programm.

Teilnahmegebühr und Anmeldung:
220 Euro bzw. 200 Euro für Mitglieder des Bundesforums. Hier geht es zur Anmeldung.

Unterlagen zur Personalbemessung in der Vormundschaft

Die Landesarbeitsgruppe Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften in Baden-Württemberg hat eine umfangreiche Orientierungshilfe zur Personalbemessung im Jugendamt für den Bereich der Förderung ehrenamtlich geführter Einzelvormundschaften unter besonderer Berücksichtigung des neuen Vormundschaftsrechts erstellt. Neben der Orientierungshilfe wurde auch ein Instrument zur Berechnung des Personalbedarfs erarbeitet.

Die Orientierungshilfe zur Personalbemessung wird gerahmt von weiteren Papieren der LAG, die grundsätzliche Überlegungen zur Umsetzung der Vormundschaftsreform enthalten. Dazu gehört eine Orientierungshilfe zur Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts in den Bereichen Zusammenarbeit des Vormunds mit weiteren Beteiligten und der Organisation im Jugendamt (Stand 09.12.2021).

Ein weiteres Papier widmet sich grundsätzlichen Überlegungen zur Vormundschaftsreform in vier Punkten, nämlich 1. Beteiligung der Kinder und Jugendlichen, 2.den neuen Instrumenten des zusätzlichen Pflegers und der Sorgeteilung mit Pflegeeltern im Kontext der ehrenamtlichen Vormundschaft, 3. der Frage der Auskunft und des Umgangs mit Eltern und Vertrauenspersonen (§ 1790 BGB n. F.) auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des reformierten SGB VIII und 4. dem Verhältnis zwischen Vormund*in und Erziehungsperson (§§ 1796, 1797 BGB n. F.).

Und schließlich hat die LAG eine Orientierungshilfe zur Akquise, Schulung und Begleitung von ehrenamtlichen Vormündern (Stand 09.12.2021) erstellt.
Am 5. Juli veranstaltet das Bundesforum ein Online-Seminar zur Personalbemessung. Mit dabei sein wird Thomas Stephan von der Landesarbeitsgruppe der Amtsvormünder und Amtspfleger in Baden-Württemberg, der die Orientierungshilfe genauer vorstellen wird.

Teilnahmegebühr und Anmeldung:
80 Euro bzw. 50 Euro für Mitglieder des Bundesforums. Hier geht es zur Anmeldung.

Informationsseiten zum Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland

Anders als in den Folgejahren von 2014 kommt es im Zusammenhang mit der Flucht aus der Ukraine nicht zu einem enormen Anstieg der Vormundschaftszahlen. Denn die meisten ukrainischen Kinder und Jugendlichen reisen begleitet ein, meist von ihren Müttern. Sind sie in Begleitung anderer Erwachsener kommt es darauf an, ob diese erziehungsberechtigt – also von den Eltern autorisiert – sind. Das Familienministerium hat dazu mit Blick auf einzelne und Gruppen einreisender unbegleiteter Minderjähriger bereits im März eine 1. Punktuation veröffentlicht.

Am 4.5. wurde nun eine mit der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend‐ und Familienbehörden (AGJF) abgestimmte erweiterte Punktuation veröffentlicht. Danach hat das Jugendamt von Amts wegen zu prüfen, ob die Begleitpersonen eines Kindes erziehungsberechtigt sind und dabei einige Grundsätze ukrainischen Rechts einzubeziehen (v.a. bei einreisenden Gruppen). Nur wenn die Prüfung ergibt, dass die Begleitperson nicht erziehungsberechtigt ist, wird das Kind vorläufig in Obhut genommen. Auch in diesem Fall kann es – wenn die Begleitpersonen geeignet sind – bei diesen untergebracht werden.
Ist die Begleitperson des Kindes oder Jugendlichen nicht erziehungsberechtigt, muss beim Familiengericht eine Vormundschaft initiiert werden. Das gilt auch, wenn eine Hilfe zur Erziehung beantragt werden soll und der Umfang der Vertretungsberechtigung der Begleitperson dafür nicht ausreicht.
Weitere hilfreiche rechtliche Informationen für alle, die mit den geflüchteten Minderjährigen aus der Ukraine befasst sind, sind auf einer Sonderseite des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht verfügbar.

Zur Weitergabe an Ukrainer*innen hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter die Broschüre Was Jugendämter leisten in die ukrainische Sprache übersetzen lassen.

Aktuelle rechtliche Informationen

Brandenburgisches Oberlandesgericht 4. Senat für Familiensachen
Entscheidungsdatum: 29.04.2022 - 13 UF 16/22
Die Beschwerde des Jugendamtes, das als Ergänzungspfleger bestellt wurde, wurde vom OLG Brandenburg am 29.04.2022 zurückgewiesen. Das Amtsgericht folgte einem Erziehungsfähigkeitsgutachten einer Sachverständigen und entzog den sorgeberechtigten Eltern am 04.01.2022 das Recht zur Entscheidung über den Umgang des Vaters mit dem Kind und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger. Das Jugendamt legte am 02.02.2022 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, zum einen, da die Voraussetzungen für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft nicht gegeben seien. Zum anderen richtete sich die Beschwerde gegen die Auswahl des Jugendamtes, da eine mit der Ehefrau des Vaters eine vorrangig zu bestellende ehrenamtliche Person zur Verfügung stehe und die Rolle als bestimmender Umgangspfleger mit der Hilfegewährung für die Familie kollidiere.
Das OLG Brandenburg weist diese Beschwerde zurück. Eine Beschwerde, die sich gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft richte, könne die Behörde nur auf die Verletzung der Rechte des Kindes, nicht auf die Verletzung eigener Rechte stützen. Beschwerdeberechtigt sei das Jugendamt hingegen gegen seine Auswahl zum Ergänzungspfleger. Die Beschwerde sei aber nicht begründet, denn das Jugendamt sei als Ergänzungspfleger durchaus geeignet, da es im Unterschied zu einer angehörigen Person eine neutrale Vermittlerrolle einnehmen könne, wenn sich die Eltern bezüglich der Umgänge des Kindes mit seinem Vater nicht einig sind. Da keine anderweitige ehrenamtliche Person zur Verfügung stehe, die diese Aufgabe übernehmen könne, sei das Jugendamt in diesem Fall der am besten geeignetste Ergänzungspfleger für das Kind.

Entlassung eines beruflich tätigen Ergänzungspflegers
OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.02.2022 – 9 WF 1212/21
Das OLG Nürnberg hob den Beschluss des Amtsgerichtes vom 29.09.2021 auf (50 F 59/20), laut dem der Beschwerdeführer als Ergänzungspfleger entlassen wurde. Die ursprünglich alleinsorgeberechtigte Mutter beantragte einen Wechsel des Ergänzungspflegers, weil das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Ergänzungspfleger belastet sei. Das Jugendamt unterstützte dies und schilderte in seiner Stellungnahme, dass u. a. die Kontaktaufnahme für die Mutter und auch die –bei der Mutter eingesetzte - Familienhelferin schwierig sei. Das Amtsgericht ordnete daraufhin einen Wechsel an. Der Ergänzungspfleger habe zwar keine rechtlichen Fehler begangen. Der Wechsel sei jedoch im Interesse der Kinder, um anstehende Aufgaben im Familiensystem konstruktiv zu lösen. Der Ergänzungspfleger reichte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, da kein Pflichtverstoß vorliege, der die Entlassung begründe. Das OLG Nürnberg hob den Beschluss des Amtsgerichtes auf, da kein pflichtwidriges Verhalten und keine Untauglichkeit seitens des Ergänzungspflegers vorliege, die eine Entlassung nach §§ 1781, 1886 BGB begründen würde. Die schwierige Zusammenarbeit zwischen Ergänzungspfleger und Mutter habe auch keinen gravierenden Einfluss und gefährde auch nicht die Interessen des fast 17-jährigen außerhalb des Elternhauses untergebrachten Jugendlichen. Aus Sicht des Gerichts sei auch nicht erwarten, dass die regelmäßigen Streitigkeiten über die Organisation der Umgänge mit seiner Mutter mehr als geringfügige Auswirkungen auf den Jugendlichen hätten.
Die Bedeutung des Familiensystems mit den weiteren Kindern für den Jugendlichen wird in der Entscheidung nicht in den Blick genommen. Es wird auch nicht ersichtlich, dass der Jugendliche angehört worden wäre.

Aktuelle Publikationen

AGJ-Broschüre Sozialgesetzbuch VIII – Überarbeitete Ausgabe mit KJSG
Die Broschüre beinhaltet den Gesetzestext unter Berücksichtigung der unterschiedlicher Reformen in 2021. Berücksichtigt sind die Änderungen durch das KJSG im SGB VIII, das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die Änderungen im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und im Adoptionshilfegesetz und schließlich auch die Änderung durch im Vormundschaftsrecht.

AFET-Impulspapier zum KJSG aus juristischer Sicht
Im AFET-Impulspapier wirft Katharina Lohse (DIJuF) einen juristischen Blick auf das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Deutlich wird, dass das KJSG zum Ziel hat, die Rechte von jungen Menschen und ihren Familien zu stärken in Form von subjektiven Rechtsansprüchen der Adressat*innen und objektiven Rechtsverpflichtungen der Jugendhilfe z. B. zur Förderung und Beteiligung von Selbstvertretungen (§ 4a SGB VIII). Zudem wird der Schutz der jungen Menschen dadurch gestärkt, in dem in unterschiedlichen Bereichen Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten geschaffen werden (§ 9a, 37b, 45 SGB VIII).

Tagungen und sonstige Veranstaltungen

Veranstaltungen des Bundesforums:

Online-Seminar „Ergänzungspflegschaft im Strafverfahren“
am 23.06.2022 von 10:00-13:00 Uhr
Veranstalter: Bundesforum
Referentin: Rechtsanwältin Petra Ladenburger
Kosten: 110 Euro bzw. 90 Euro für Mitglieder des Bundesforums
Anmeldung: online
Das dreistündige Online-Seminar richtet sich an interessierte Ergänzungspfleger*innen, die für Strafverfahren bestellt werden, und sich hilfreiche Informationen wünschen zum Verfahrensablauf, den Beteiligten am Strafverfahren, den Rechten von Kindern und Jugendlichen und den eigenen Rechten und Pflichten als Ergänzungspfleger*innen im Strafverfahren.

Online-Seminar „Personalbemessung nach der Vormundschaftsreform“ am 05.07.2022 von 16:00-18:30 Uhr
Veranstalter: Bundesforum
Kosten: 80 Euro bzw. 50 Euro für Mitglieder des Bundesforums
Anmeldung: online
Unser Mitglied - die Landesarbeitsgemeinschaft der Amtsvormünder in Baden-Württemberg - hat eine Orientierungshilfe zur Personalbemessung erarbeitet. Thomas Stephan (AV Jugendamt Stuttgart) wird die genau ausgearbeiteten Überlegungen zur Personalbemessung vorstellen und steht für Fragen zu Aufgaben und Personalbemessung in der Vormundschaft zur Verfügung.
Neben der Vorstellung der Orientierungshilfe steht der Austausch im Vordergrund. Neben dem Personalbedarf im Bereich der Förderung der ehrenamtlichen Vormundschaft wollen wir dabei auch die vermehrt geforderte Beteiligung, die im Gesetz nun verankerten Vorschriften zur geteilten Sorge mit Pflegepersonen und die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Familiengericht in den Blick nehmen. Im gemeinsamen Gespräch sollen Bedarfe, Aufgaben und Anforderungen erörtert werden, die künftig eine Rolle spielen werden.

Fachtagung „Vielfalt und ihre strukturelle Rahmung. Das Allgemeine im Besonderen der Pflegekinderhilfe“
vom 13.-14.09.2022 in Bonn
Veranstalter: IGFH in Kooperation mit der Forschungsgruppe „Pflegekinder“ an der Universität Siegen, dem Kompetenzzentrum Pflegekinder, dem PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien und dem Bundesforum
Kosten: 250 Euro bzw. 330 Euro (inkl. Übernachtung und Frühstück)
Anmeldung: online
Das Tagungsprogramm ist sehr vielfältig und beleuchtet die Pflegekinderhilfe in ihren unterschiedlichen Facetten. Mit dabei ist Dr. Miriam Fritsche (Vorstand im Bundesforum), die einen Workshop zur Vormundschaft in der Pflegekinderhilfe anbietet.

Online-Seminar Jugendstrafverfahren am 08.11.2022 von 10:00-13:00 UHr
Veranstalter: Bundesforum
Referent: Jens Buck, Richter am Amtsgericht Hannover
Kosten: 110 Euro bzw. 90 Euro für Mitglieder des Bundesforums
Anmeldung: online
Vormund*innen sind häufig damit konfrontiert, dass Jugendliche mit dem Gesetz in Konflikt geraten und gegen sie ermittelt wird. Zum Thema, wie ein Jugendstrafverfahren abläuft, welche Rechte und Pflichten Personensorgeberechtigte dabei haben und in welchem Verhältnis sie zur Jugendgerichtshilfe stehen, bietet das Bundesforum ein Online-Seminar an.

Weitere Veranstaltungen:

Online-Fachtag „Die Europaratsleitlinien für eine kindgerechte Justiz in der deutschen Rechtspraxis“ am 29.06.2022 von 9:30-16:00 Uhr
Veranstalter: DKHW und DIMR
Anmeldung: online
Das Deutsche Kinderhilfswerk und das Deutsche Institut für Menschenrechte möchten mit den Teilnehmenden den aktuellen Stand und gute Beispiele aus der Praxis beleuchten und sich mit der Frage beschäftigen, wie die flächendeckende Umsetzung einer kindgerechten Justiz weiter unterstützt werden kann. Zudem werden die Ergebnisse des Pilotprojekts „Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren“ vorgestellt und diskutiert, bei dem erstmals Kriterien für kindgerechte familiengerichtliche Verfahren über sechs Monate in der Praxis erprobt und evaluiert wurden. Ein weiteres Thema des Fachtages ist die kindergerechte Justiz im Straf- und Asylverfahren, ein Thema das auch für Vormund*innen in der Praxis von hoher Relevanz ist.

Workshop-Konferenz „Allianz gegen Gewalt und Vernachlässigung und ihre Folgen“ am 13.09.2022 in Berlin
Veranstalter: Forschungsnetzwerk „Kompetenz gegen Missbrauch“
Anmeldung: online
Seit 2019 arbeitet das Forschungsnetzwerk an 30 universitären und außeruniversitären Einrichtungen zum Thema „Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend“ und entwickelt und evaluiert Behandlungs- und Präventionsmethoden. Die interdisziplinäre Workshop-Konferenz am 13. September 2022 dient dazu, Fachleute, die unterschiedliche Zugänge zum Thema haben, zusammen zu bringen und in unterschiedlichen Formaten in Austausch zu kommen.

Online-Weiterbildung „Vormundschaft und Pflegschaft 2022/2023 – Qualifizierung in vier Modulen“; Start September 2022 und Ende Mai 2023
Veranstalter: DIJuF
Anmeldung: online
Inhaltlich beschäftigt sich die Weiterbildung mit dem Handlungsspielraum und der Frage der Verantwortung für die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen als Vormund*in und Pfleger*in. Die Weiterbildung vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die Vormund*innen und Pfleger*innen in ihrer Verantwortung gegenüber den Kindern oder Jugendlichen und in der Kooperation mit den anderen an der Erziehung Beteiligten stärken sollen.
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