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Infobrief Nr. 5 · Mai 2021

Sehr geehrte*r reader reader
mit diesem Infobrief möchten wir Sie insbesondere auf die Forschung "Ehrenamtliche Vormundschaften durch Pflegeeltern?" aufmerksam machen, die das Bundesforum für das Kompetenzzentrum Pflegekinder durchführte. Den Forschungsbericht finden Sie unten.

Inhaltsverzeichnis

  • Forschungsbericht zur Pflegeelternvormundschaft erschienen
  • Interview mit Edda Elmauer: „ASD, PKD und VM: Es geht nur gemeinsam!“
  • DJHT-Rückblick: Vormundschaft gut vertreten!
  • Kampagne # Kostenheranziehung
  • Aktuelle rechtliche Informationen
  • Aktuelle Publikationen
  • Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Forschungsbericht zur Pflegeelternvormundschaft erschienen

Der Forschungsbericht Ehrenamtliche Vormundschaft durch Pflegeeltern? Ein Projekt zur Analyse von Chancen und Grenzen der Vormundschaft durch Pflegeeltern von Ruth Seyboldt und Henriette Katzenstein“ liegt vor. Er ist interessant für Vormundschaften, Pflegekinderdienste, die Allgemeinen Sozialen Dienste und natürlich auch für Pflegeeltern.
Das Bundesforum Vormundschaft hatte im Auftrag des Kompetenzzentrums Pflegekinder und gefördert durch das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) die Literaturlage gesichtet und untersucht, wie die Praxis in den Jugendämtern Vormundschaften durch Pflegeeltern einordnet, welche Potenziale, aber auch welche Grenzen und Probleme darin gesehen werden, wenn Pflegeeltern die Vormundschaft übernehmen.
Das Projekt beinhaltet sowohl Expert*innen-Interviews mit Fachleuten aus Pflegekinderdiensten und Vormundschaften als auch eine Online-Befragung der jeweiligen Dienste in Brandenburg und Baden-Württemberg als Länder mit sehr unterschiedlichen Strukturen. Die Untersuchung förderte differenzierte Argumente bzgl. der Übernahme von Vormundschaften durch Pflegeeltern zu Tage. Interessen des Kindes, Arbeitsorganisation und -belastung sowie Machtverschiebungen in der Kooperation sind in den Augen der Praxis relevante Aspekte bei der Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen von Pflegeelternvormundschaften.
Insgesamt steht die Praxis in den Jugendämtern diesem Thema weniger skeptisch gegenüber als es die spärlichen Beiträge in der Literatur und Diskussionen auf Fortbildungen vielleicht hätten vermuten lassen können. Allerdings variieren die Meinungen erheblich, sowohl zwischen den Ländern als auch zwischen den Diensten. Sie reichen von genereller Skepsis, die eine solche Form der Vormundschaft als Ausnahme sieht bis zur grundsätzlichen Befürwortung, aber Entscheidung im Einzelfall.
Zugleich zeigte sich, dass konzeptionelle Überlegungen zur Übernahme von Pflegeelternvormundschaften nur sehr vereinzelt vorhanden sind und die Initiative zur Übernahme einer Vormundschaft fast immer von den Pflegeeltern ausgeht – auch eine grundsätzlich positive Einstellung zur Pflegeelternschaft zieht also i.d.R. keinen offensiven Umgang mit dem Thema nach sich.

Interview mit Edda Elmauer: „ASD, PKD und VM: Es geht nur gemeinsam!“

Edda Elmauer ist stellvertretende Vorsitzende im Bundesforum und vertritt in diesem den Verband Katholischer Jugendfürsorge (VKJF), der auch Vereinsvormundschaften führt.

Bundesforum: Liebe Frau Elmauer, die Vereinsvormund*innen der KJF treffen sich einmal jährlich zu Gesprächen mit den Allgemeinen Sozialen Diensten und den Pflegekinderdiensten. Wie sehen diese Gespräche aus? Welche Themen besprechen Sie?
Elmauer: Zunächst einmal, jährlich geht nur außerhalb von Corona! Wichtig sind das persönliche Kennenlernen und der Austausch über einzelfallunabhängige grundsätzliche Haltungen und Vorstellungen aus der jeweiligen Sichtweise. Angefangen von allgemeinen Fragen wie Gesetzesänderungen, die Einfluss auf den jeweiligen Arbeitsbereich und die Zusammenarbeit haben, wie zu Detailfragen. Zum Beispiel zu Kooperationsfragen wie Erreichbarkeit, datenschutzrechtlichem Einsatz von E-Mails, Austausch zu spezialisierten Einrichtungen und in anonymisierten Einzelfällen guten und schlechten Erfahrungen von beiden Seiten zur Zusammenarbeit. Zudem ist uns wichtig, Verständnis zu schaffen für übergeordnete Rahmenbedingungen auf beiden Seiten wie Refinanzierung, Zeitkontingente, Bereitstellung von Dienstfahrzeugen u.v.m.
Und bei mehr oder weniger sich ändernden Personalkonstellationen stehen das persönliche Kennenlernen und das Abklären von Haltungsfragen im Vordergrund, ob und wie lange zum Beispiel bei Unterbringung in Pflegefamilien ein Kontaktverbot mit der Herkunftsfamilie (z. B. sechs Wochen kein Kontakt wegen Eingewöhnung) fachlich vertretbar ist.

Bundesforum: Und warum glauben Sie, dass Kooperationen zwischen den Bereichen Vormundschaft, ASD und PKD wichtig sind?
Elmauer: ASD, PKD und VM sind letztlich in Gemeinschaft für das jeweilige Kind verantwortlich. Aber der Fokus ist unterschiedlich: Die Vormund*innen sind ausschließlich für das Kind verantwortlich. Der PKD muss vor allem die Pflegefamilien in Blick haben. Der ASD ist für Abwendungen akuter Kindeswohlgefährdungen und für die Elternarbeit zuständig; Die Bereiche überschneiden sich jedoch, weshalb es nur gemeinsam geht!

Bundesforum: Schließlich interessiert uns natürlich auch Ihre Haltung zur verabschiedeten Vormundschaftsreform. Was birgt die Reform für Vormundschaftsvereine? Was finden Sie gut? Was sehen Sie kritisch?
Elmauer: Die Reform stärkt Vereine nicht wirklich. Der Kostenersatz ist zu begrüßen, aber er bringt einen erhöhten Aufwand für Gerichte wegen der persönlichen Bestellung mit sich. Und nicht alle Gerichte werden Vereinsvormünder daher bestellen. Den Gleichrang insbesondere mit der Amtsvormundschaft empfinde ich als besonders schwierig, da er zum einen das Subsidiaritätsprinzip abschafft und anderseits Vereine mit Blick auf die Pluralität als Gegenangebot zur durch das Jugendamt geführten Vormundschaft wichtig sind. Zudem haben Vereine eine sehr gute Infrastruktur und weisen oft ein vielfältiges Angebot und ein multiprofessionelles Team vor. Jugendämter bitten uns sogar immer wieder, eine Vormundschaft von ihnen zu übernehmen, weil die Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie so schwierig ist, so dass es besser sei, wenn eine aus Sicht der Eltern „neutrale“ Stelle das Sorgerecht für die Kinder erhält. Die Erfahrungen der Eltern mit dem Jugendamt mache es schwer, unvoreingenommen und mit gutem Gewissen das Sorgerecht der eigenen Kinder beim Jugendamt zu sehen, auch wenn der*die Amtsvormund*in unabhängig ist.

DJHT-Rückblick: Vormundschaft gut vertreten!

Die Vormundschaft gewinnt an Ausstrahlung und war mit drei Veranstaltungen auf dem Kinder- und Jugendhilfetag vertreten, – teils in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Pflegekinder und dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS), dem Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Es fanden lebhafte Diskussionen statt und wir haben uns v.a. auch über das sehr heterogene Publikum gefreut: Heimerziehung, Pflegekinderhilfe, Wissenschaft und natürlich die Vormundschaft waren vertreten.

Im Rahmen der anderthalbstündigen Veranstaltung zur Vormundschaftsreform wurde lebhaft diskutiert. Einige Impressionen im Folgenden:
  • Die von der Reform engere Zusammenarbeit zwischen rechtlichen und sozialen Eltern lasse fragen, ob die Beziehung zu den leiblichen Eltern ausreichend im Blick bleibe.
  • Bei der Zusammenarbeit solle eigentlich „niemand den Hut aufhaben“, weil es nicht möglich ist zu bestimmen, dass es dem Kind gut geht. Das könne nur in guter Zusammenarbeit und mit dem Kind erreicht werden. Andererseits wurde gesagt, dass der*die Vormund*in aber die Gesamtverantwortung habe.
  • Die vorläufige Vormundschaft, die neu eingeführt werden soll, kann eine Chance sein, die Auswahl des*der Vormund*in mit mehr Ernsthaftigkeit zu verfolgen – auch wenn die Umsetzung in die Praxis nicht ganz einfach sein wird. Vor allem sei es wichtig, immer im Blick zu halten, dass es um Lebensentscheidungen gehe.
  • Die Einführung von Kinderrechten in die Reform werfe die Frage auf, wie diese Rechte eingefordert werden können. Es sei zwar möglich, die Verletzung eigener Rechte dem Familiengericht anzuzeigen und Ge- oder Verbote einzufordern, aber es sei kaum zu vermuten, dass Kinder und Jugendliche einen so hochschwelligen Weg gehen. Und alle Kinderrechte helfen nichts, wenn Kinder nichts über ihre Rechte wissen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Ombudsstellen nach § 9a SGB VIII-E eine geeignete und niedrigschwellige Beschwerdeinstanz darstellen und sie dazu beitragen können, junge Menschen über ihre Rechte in Hinblick auf ihre Vormundschaft zu informieren.
In kurzer Zeit und mit insgesamt neun Referent*innen, die blitzlichtartig auf die Reform eingingen, wurde deutlich, wie viele Fragen das neue Vormundschaftsrecht, das am 01.11.2023 in Kraft tritt, aufwirft und wie komplex die Umsetzung sein wird.

Kampagne # Kostenheranziehung

Das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft bekommt von Vormund*innen immer wieder mitgeteilt, dass sich ihre Jugendlichen über die Kostenheranziehung beschweren und sie kaum die Möglichkeit haben, Geld anzusparen, weshalb sich hierzu das Bundesforum im Rahmen der SGB VIII-Reform bereits im Oktober 2019 mit einer Stellungnahme äußerte.

Das Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe informiert auf seiner Seite www.kostenheranziehung.info über die Heranziehung junger Menschen aus ihrem Einkommen und stellt hilfreiche Informationen bereit, wie zum Beispiel eine Infobroschüre in jugendgerechter Sprache, ein Musterschreiben für Widersprüche und ein Kostenbeitragsrechner. Im Einzelfall können zu viel gezahlte Kostenbeiträge bis zu vier Jahre rückwirkend erstattet werden! Geben Sie diesen Hinweis auch gerne an junge Volljährige weiter für die sie zuständig waren und die von der Kostenheranziehung betroffen gewesen sind, und vermitteln Sie sie an eine Ombudsstelle in Ihrer Region.

Weiter unten finden Sie unter Rechtliche Informationen ein Hinweis auf ein Urteil zur Kostenheranziehung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2020 (5 C 9.19) und die Synopse zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), in der Sie die gesetzlichen Änderungen zur Kostenheranziehung nachschlagen können.

Für konkrete Fragen zur Kostenheranziehung empfiehlt sich unser Fachgespräch für Vormund*innen am 29. Juni.

Aktuelle rechtliche Informationen

Kostenbeitrag eines jungen Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe

Urteil vom 11.12.2020 – BVerwG 5 C 9.19
In seinem Urteil weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe einzusetzen haben, gemäß § 93 Abs. 4 S. 1 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich ist. Zudem hat das Jugendamt gemäß § 94 Abs. 6 S. 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient.

Die gesetzlichen Änderungen zur Kostenheranziehung im Rahmen der SGB VIII-Reform können Sie der Synopse des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) entnehmen.



Literaturhinweise von Reguvis

In seiner Rundmail kündigt der Verlag Reguvis zwei Handbücher zum Kindesunterhalt und zum neuen Vormundschaftsrecht an. Das Handbuch zum Kindesunterhalt erschien Ende März und das Handbuch zum neuen Vormundschaftsrecht wird für Juni erwartet.

Aktuelle Publikationen

Einzelvormundschaften in der Pflegekinderhilfe

JAmt-Beitrag von Dr. Miriam Fritsche und Regina El Zaher
In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift JAmt findet sich ein interessanter Beitrag zu den Ergebnissen einer Praxisreflexion zum Thema „Einzelvormundschaften in der Pflegekinderhilfe“. Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) hat uns dankenswerterweise den Beitrag zur Verfügung gestellt, so dass Sie ihn hier kostenlos herunterladen können.

Begleitung auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Potenziale eines Zusammenspiels von Vormundschaft und Patenschaft

Beitrag von Dr. Miriam Fritsche im Jugendhilfereport 02.2021, S. 51-53

Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Direkt zum Thema Vormundschaft:

Fachkonferenz der vormundschaftsführenden Vereine

22. Juni 2021 von 10:15-15:30 Uhr, online
Veranstalter: Deutscher Caritasverband, SkF Gesamtverein, SKM Bundesverband, VKJF, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, AWO Bezirksverband Niederrhein
Zielgruppe: Vereinsvormund*innen
Anmeldung bis zum 01. Juni an fortbildung@skf-zentrale.de

Einführung zur SGB VIII-Reform für Vormund*innen

23. Juni 2021 von 10:00-13:00 Uhr, online
Veranstalter: Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft
Anmeldung an info@vormundschaft.net

Ombudschaft und Vormundschaft im Dialog 2021

28. und 29. Juni und 1. Juli 2021 jeweils von 16:00-18:00 Uhr, online
Veranstalter: Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe und Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft
drei Fachgespräche zu den Themen "Ombudsstellen in Ihrer Region", "Kostenheranziehung" und "Beteiligung von jungen Menschen"



Weitere Themen mit Relevanz für Vormundschaft und Kooperationspartner:

Seminar: Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) – Relevant für die Praxis der Erziehungshilfen?!

23. Juni 2021 von 14:00-16:00 Uhr, online
Veranstalter: Projekt Inklusion jetzt!
Anmeldung über folgenden Link möglich.

Sicherung des Aufenthalts für begleitete und unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche - Fortbildung zu den Grundlagen des Migrationsrechts

24. September 2021 von 8:30-12:30 Uhr, online
Veranstalter: Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht
Online-Fortbildung für Fachkräfte der Sozialen Dienste und der Vormundschaft