Logo Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft

Infobrief Nr. 1 · Januar 2021

Sehr geehrte*r reader reader
wir hoffen, dass Sie gut ins neue Jahr gestartet sind. Unser erster Infobrief in diesem Jahr enthält einen Schwerpunkt „Übergang in die Volljährigkeit“ und dazu eine erste Ausgabe der neuen Reihe „Praxistipps“ für Ihren beruflichen Alltag.

Inhaltsverzeichnis

  • Neue Reihe Praxistipps: Übergänge von jungen Volljährigen gestalten
  • Kurzinterview: „Ich habe den Übergang in die gesetzliche Betreuung über mich ergehen lassen."
  • Übergangsgestaltung und ombudschaftliche Beratung für ehrenamtliche Vormund*innen gefordert
  • Adoptionshilfegesetz: Vormundschaften bei unbegleiteten Auslandsadoptionen
  • DIJuF-Praxisbeirat Amtsvormundschaft
  • Stellungnahme zur SGB VIII-Reform: Besserer Kinderschutz ist Kinderschutz, der bei den jungen Menschen ansetzt und bei Familien ankommt!
  • KiDs: Kinder vor Diskriminierung schützen
  • Aktuelle rechtliche Informationen
  • Aktuelle Publikationen
  • Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Neue Reihe Praxistipps: Übergänge von jungen Volljährigen gestalten

Das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft startet ein neues Format: In der Reihe „Praxistipps“ finden Sie künftig übersichtlich geordnet rund um ein Thema nützliche Unterstützungsangebote, Materialien und Links. Die erste Ausgabe dreht sich um den Übergang in die Volljährigkeit. Die Frage, welche Aufgaben Vormund*innen in Vorbereitung auf die Volljährigkeit haben und ob sie ggf. auch im Übergang noch zur Verfügung stehen sollte, wird im Bundesforum gerade intensiv diskutiert (siehe Impuls- und Diskussionspapiere).

Kurzinterview: "Ich habe den Übergang in die gesetzliche Betreuung über mich ergehen lassen."

Das Interview führte Robin Loh mit Irina Wachinskaja (34). Irina Wachinskaja ist in einer Kinderdorffamilie in einem Albert-Schweitzer-Kinderdorf aufgewachsen, hatte bis 2005 einen Vormund und anschließend zwei gesetzliche Betreuer*innen.
Bundesforum: Du hattest noch vor den Diskussionen rund um die kleine und jetzt die große Vormundschaftsreform einen Vormund. Wie war deine Zeit unter Vormundschaft?
Wachinskaja: Ich habe erst mit 16 Jahren verstanden, dass ich einen Vormund habe. Für mich waren es immer meine Pflegeeltern im Albert-Schweitzer-Kinderdorf oder das Jugendamt, die wichtige Entscheidungen für mich getroffen haben. Ich habe meinen Vormund nicht gesehen. Er hat nicht einmal am Hilfeplangespräch teilgenommen. Der Kontakt zu meinem Vormund lief über die Einrichtung. Für mich war es komisch, mit 16 Jahren plötzlich zu wissen, dass es eine Einzelperson (den Vormund) gibt, der wichtige Entscheidungen für mich trifft, ohne dass ich ihn kenne. Meine Pflegeeltern waren meine Hauptbezugspersonen und haben mit Ausnahme der Vermögenssorge vieles auch über den Alltag hinaus entschieden und immer im Auftrag unterschrieben.
Und wie hast du bis jetzt die gesetzliche Betreuung wahrgenommen?
Ich hatte zu Beginn einen gesetzlichen Betreuer mit dem ich gar nicht auskam und mit dem ich sehr selten Kontakt hatte. Seitdem ich die Betreuung gewechselt habe, bin ich sehr zufrieden mit meiner neuen gesetzlichen Betreuerin. Jetzt, wo ich ein geregeltes Leben führe und es mir psychisch besser geht, wird überlegt, die gesetzliche Betreuung früher oder später zu beenden.
Und wie war der Übergang von Vormundschaft zur gesetzlichen Betreuung?
Das ging relativ schnell. Ich wurde auch nicht beteiligt, zumindest fühlte ich mich nicht beteiligt bei der Frage, ob ich eine gesetzliche Betreuung haben möchte oder nicht. Ich habe es über mich ergehen lassen und auch nicht nachgefragt. Die wichtigen Personen waren ohnehin meine Pflegeeltern und die Menschen im Kinderdorf. Das Kinderdorf ist auch heute noch ein schöner Ort an dem ich gerne bin. Sie bieten regelmäßig ein Ehemaligenfrühstück an, an dem ich schon mehrmals teilgenommen habe.
Vielen Dank, ich sehe schon, dass wir das Thema Übergang in die gesetzliche Betreuung noch vertieft diskutieren müssen im Bundesforum.

Übergangsgestaltung und ombudschaftliche Beratung für ehrenamtliche Vormund*innen gefordert

In seiner Stellungnahme zum KJSG weist das Dialogforum Pflegekinderhilfe darauf hin, dass es weiteren Handlungsbedarf bei der Übergangsgestaltung ins Erwachsenenleben gibt (§§ 41 und 41a SGB VIII-E). Mit Bezug auf die Vormundschaft und Pflegschaft wird darauf hingewiesen, dass auch geprüft werden sollte, ob und wie die*der ehemalige Vormund*in den jungen Menschen über die Volljährigkeit hinaus unterstützen kann, wenn dies der junge Mensch wünscht (siehe S. 8 ff.). Zudem sollten ehrenamtliche Vormund*innen die Möglichkeit haben, sich als Personensorgeberechtigte ombudschaftlich beraten zu lassen, da sie wie Eltern Personensorgeberechtigte, aber keine Fachkräfte sind und ggf. ombudschaftliche Beratung benötigen, um adäquat die Interessen der Kinder und Jugendlichen zu vertreten (siehe § 9a SGB VIII-E; S. 22 f.).

Adoptionshilfegesetz: Vormundschaft bei unbegleiteten Auslandsadoptionen

Der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hilfen der Familien bei Adoption vom 22.01.2021 wurde nach der ersten Lesung im Bundestag am 29.01. zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weitergeleitet. Ziel ist es, einen Rechtsanspruch auf Unterstützung und (nachgehende) Beratung für Familien bei Adoptionen einzuführen und unbegleitete Auslandsadoptionen zu verhindern. Bei unbegleiteten Auslandsadoptionen braucht es eine*n Vormund*in, auch wenn diejenigen, die das Kind im Ausland adoptierten, grundsätzlich die Möglichkeit der Inpflegenahme oder Nachadoption haben (siehe S. 60 im Gesetzentwurf).
Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten des Bundestages.

DIJuF-Praxisbeirat Amtsvormundschaft

Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht gründet im April 2021 einen Praxisbeirat zur Amtsvormundschaft, der sich aus Praktiker*innen aus Jugendämtern unterschiedlicher Bundesländer zusammensetzt. Der Beirat dient dem Erfahrungsaustausch und der Qualitätsentwicklung im Bereich Amtsvormundschaft. Begleitet wird der Praxisbeirat von Christiane Niendorf und Susanne Achterfeld, die neben Katharina Lohse das DIJuF im Bundesforum vertritt.

Stellungnahme zur SGB VIII-Reform: Besserer Kinderschutz ist Kinderschutz, der bei den jungen Menschen ansetzt und bei Familien ankommt!

Die Vormundschaft ist mit betroffen: Im Gesetzentwurf für das SGB VIII sind Änderungen vorgesehen, die einen Rückschritt bei der Beteiligung und der Kooperation im Kinderschutz befürchten lassen, so die Stellungnahme von acht Fachverbänden.
Die häufig schwer belasteten Kinder und Jugendlichen leiden zusätzlich darunter, wenn in der Vorgeschichte von Sorgerechtsentzügen mehr Vertrauen verspielt wird als nötig und die Beziehungen beteiligter Jugendamtsfachkräfte, Ärzt*innen oder Lehrer*innen zu den Eltern und Kindern schwer beschädigt werden. Auch der Einstieg in die Vormundschaft wird dadurch belastet. In der Öffentlichkeit rückt leider selten in den Blick, dass „Kinderschutz“ nicht nur in der Trennung von den Eltern besteht, sondern vor allem darin, den Kindern oder Jugendlichen eine nachholende und heilende Entwicklung zu ermöglichen.

KiDs: Kinder vor Diskriminierung schützen

KiDs ist ein Berliner Projekt, das Personensorgeberechtige und pädagogische Fachkräfte berät, wenn Kinder zwischen 0 und 12 Jahren diskriminiert werden. In der Beratung können Einzelfälle besprochen werden und Fälle, in denen sich die Organisation oder Struktur einer Einrichtung diskriminierend auf Kinder auswirkt.
Das Projekt veröffentlicht auch diskriminierungskritische Materialien, die auch in der Arbeit mit Kindern genutzt werden können. Sicherlich haben Sie sich als Vormund*in bereits häufig mit Kindern über deren Familien unterhalten und möglicherweise wurde das Kind schon einmal in der Kindertagesstätte oder Schule geärgert oder ausgeschlossen, z. B. weil es nicht „zu Hause“, sondern in einer Pflegefamilie oder Einrichtung aufwächst. Das KiDs Power Ausmalbuch zeigt Kindern, wie vielfältig Familien sind und dass auch Pflegefamilien und Wohngruppen Familie sein können.

Aktuelle rechtliche Informationen

Aufwandspauschale für ehrenamtliche Vormund*innen steigt kaum an

Am 1.1.2021 ist das Kostenrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten (siehe Gesetzentwurf). Es zeigt sich auch hier der mangelnde Wille des Gesetzgebers, die ehrenamtliche Vormundschaft, die vermeintlich gestärkt werden soll, auch substanziell zu unterstützen. Die Anhebung der Aufwandspauschale, die sich auf § 1835a BGB iVm § 22 JVEG ergibt, betrifft genau EINEN Euro jährlich, so dass ehrenamtliche Vormund*innen nun 400 statt 399 Euro erhalten – ab dem 1.1.2023 sind es 425 Euro.

Teilsorgeberechtigte Eltern sind beschwerdeberechtigt im Hinblick auf die Auswahl des Ergänzungspflegers

OLG Koblenz vom 27.04.2020 - 9 UF 32/20
Die Eltern, die den Sorgerechtsentzug, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, nicht anfechten, wenden sich gegen die Auswahl des Jugendamts als Ergänzungspfleger und bevorzugen die Großmutter. Das OLG erkennt die Beschwerdeberechtigung an, da „[…] die Eltern nach wie vor Sorgerechtsinhaber sind." Auch wenn ihnen bereits erhebliche Teile des Sorgerechts entzogen worden sind, werden sie durch die Entscheidung über die Auswahl des Ergänzungspflegers unmittelbar in dem ihnen verbliebenen Sorgerecht aus § 1626 Abs. 1 BGB und damit in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen. In der Sache hält das OLG Koblenz die Entscheidung, das Jugendamt zu bestellen, in diesem konkreten Fall jedoch für angemessen.

Gewichtige Nachteile für das Kind stehen einer Übertragung des Sorgerechts auf den Vater entgegen, nachdem es der alleinsorgenden Mutter entzogen wurde

OLG Hamburg vom 08.12.2020 - 5 UF 66/20
Ein Vater, dessen Erziehungsfähigkeit laut Sachverständigengutachten eingeschränkt ist, beantragt die Übertragung des Sorgerechts für sein 2016 geborenes Kind auf sich. Das Gericht verweist darauf, dass laut § 1680 Abs. 2, 3 die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater dann möglich ist, wenn sie dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Ergibt die „negative Kindeswohlprüfung“ erhebliche Nachteile für das Kind, ist dies ausreichend, um von der Sorgerechtsübertragung abzusehen. Die Schwelle des § 1666 BGB muss nicht erreicht sein.

Stellungnahme des Deutschen Vereins zur Reform des Vormundschaftsrechts

Der Deutsche Verein begrüßt in seiner Stellungnahme die geplante Reform des Vormundschaftsrechts, schließt sich jedoch der Kritik an, die auch das Bundesforum teilt, dass die Vielfalt der Vormundschaftsformen nicht ausreichend gestärkt wird. Weiterführende Informationen zur SGB VIII- und Vormundschaftsreform finden Sie auf den Seiten des Bundesforums.

Aktuelle Publikationen

Wiesner/Wapler (2021): SGB VIII-Kommentar

Die 6. Auflage des Kommentars zur Kinder- und Jugendhilfe wird voraussichtlich im Oktober 2021 veröffentlicht und kann bereits im Beck Shop vorbestellt werden.

Cirullies, Birgit/Cirullies, Michael (2021): Beitrag zur Ergänzungspflegschaft im Strafverfahren, FamRB, S. 76

Der Beitrag bezieht sich auf die Vorgaben des BGH zur Ergänzungspflegschaft im Strafverfahren (BGH, 22. April 2020 – XII ZB 477/19).

Medien im (Familien-)Alltag

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung formuliert folgende 10 Empfehlungen für Bezugspersonen junger Menschen im Umgang mit Medien.

Tagungshinweise und sonstige Veranstaltungen

Direkt zum Thema Vormundschaft:

Problemfeld Krankenversicherung in der Praxis der SGB VIII-Bearbeitung und für Vormünder - Grundlagen

17. - 18. März 2021, Berlin
Veranstalter: Kommunales Bildungswerk

Deutscher Kinder- und Jugendhilfetag

18. - 20. Mai 2021, Essen
Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe
Das Bundesforum wird auf dem DJHT einen Stand haben und zusätzlich zwei Online-Veranstaltungen zur Reform des Vormundschaftsrechts und zur Ehrenamtlichen Vormundschaft und Pflegekinderhilfe halten. Wir informieren Sie gerne, sobald das Programm feststeht und Sie sich anmelden können.

Weitere Themen mit Relevanz für Vormundschaft und Kooperationspartner:

Kein Raum für Rechte Hetze

30. Januar 2021, online
Veranstalter: Kinderrechte-Forum
Die Online-Veranstaltung richtet sich an Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und erklärt ihnen, wie rechte Netzwerke organisiert sind, wie sie junge Menschen übers Internet versuchen zu erreichen und wie man sich dagegen schützen kann.

Anhörung zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

22. Februar 2021, online
Veranstalter: Bundestag
Für den 22.02.2021 ist um 14:00 Uhr eine öffentliche Anhörung zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz im Bundestagausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geplant. Interessierte können sich unter familienausschuss@bundestag.de anmelden und sich per Videokonferenz zuschalten.

Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII

11. - 12. März 2021, online
Veranstalter: Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen

Hilfeplanung hilfreich gestalten!

29. - 30. April 2021, Bochum
Veranstalter: Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen

Kostenheranziehung junger Menschen

30. April 2021, online
Veranstalter: Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen

Was kann Ombudschaft in der Jugendhilfe?

29. April 2021, online
Veranstalter: DEIN MEGAFON - Unabhängige Beratungs- und Ombudsstelle in der Kinder- und Jugendhilfe Thüringen